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Rechtsgrundlagen & Prinzipien Strafvollzug Schweiz - Vertiefung

In diesem Artikel finden Sie eine Vertiefung der Rechtsgrundlagen und Prinzipen des Strafvollzugs in der Schweiz. Für einen Überblick über den gesamten Justizvollzug oder eine Vertiefung der Rechtsgrundlagen und Prinzipen des Massnahmenvollzugs verweisen wir sie auf die weiteren Artikel in diesem Dossier.

Eine Strafe ist eine gerichtliche Sanktion, die als Reaktion auf eine begangene Straftat ausgesprochen wird (Art. 34–55a StGB). Sie dient der Ahndung schuldhaften Verhaltens und soll sowohl spezial- als auch generalpräventiv wirken – also die betroffene Person von weiteren Delikten abhalten und zugleich das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsordnung stärken.

Das Schweizer Strafrecht kennt verschiedene Arten von Strafen, insbesondere die Geld- und die Freiheitsstrafe. Die Auswahl und Bemessung der Strafe richten sich nach der Schwere der Tat, dem Verschulden der Täterin oder des Täters sowie den persönlichen Verhältnissen. Entscheidend ist, dass die Strafe verhältnismässig bleibt und dem Grundsatz der Menschenwürde entspricht.

Im Unterschied zu den sogenannten Massnahmen steht bei Strafen die Vergeltung des begangenen Unrechts im Vordergrund, nicht die Behandlung oder Prävention zukünftiger Straftaten. Dennoch sollen Elemente der Resozialisierung – etwa der bedingte Vollzug oder die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung – Teil der strafrechtlichen Reaktion sein.

Untersuchungsverfahren und Strafprozess

Am Anfang eines strafrechtlichen Freiheitsentzugs steht meist ein Vergehen oder Verbrechen. Wird eine tatverdächtige Person dringend einer Straftat verdächtigt, kann die Polizei sie festnehmen und in die sogenannte Polizeihaft überführen.

Polizeihaft

Die ersten 72 Stunden nach der Festnahme laufen folgendermassen ab:

  • Polizeihaft: Maximal 24 Stunden
  • Übergabe an die Staatsanwaltschaft (wenn weitere Festhaltung nötig ist)
  • Prüfung des Tatverdachts durch die Staatsanwaltschaft innert 48 Stunden
  • Bei Erhärtung des Tatverdachts folgt ein Antrag auf Untersuchungshaft (U-Haft) beim Zwangsmassnahmengericht, das innert weiterer 48 Stunden entscheidet

U-Haft und Sicherheitshaft

Stimmt das Zwangsmassnahmengericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Untersuchungshaft zu, beginnt das Ermittlungsverfahren. Die U-Haft kann maximal für 3 Monate angeordnet und jeweils um weitere 3 Monate verlängert  werden . Sie endet mit dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens (i.d.R. mit der Anklageerhebung).
Die strafprozessualen Haftformen sind in der schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) festgehalten - nicht wie strafrechtliche Haftformen, die im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt sind. Zu den strafprozessualen Haftformen zählen insbesondere die Untersuchungshaft und die Sicherheitshaft, die beide der Sicherung des Verfahrens dienen.

Die Untersuchungshaft (Art. 221–240 StPO)

Die Untersuchungshaft (U-Haft) kann angeordnet werden, wenn eine beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird. Die U-Haft darf nur angeordnet werden, wenn mildere Massnahmen (z. B. Ersatzmassnahmen nach Art. 237 StPO) nicht ausreichen. Ausserdem muss einer der folgenden besonderen Haftgründe vorliegen (vgl. Art. 221 StPO):

  • Fluchtgefahr: Es wird erwartet, dass sich die beschuldigte Person der Strafverfolgung entzieht.
  • Kollusionsgefahr- oder Verdunkelungsgefahr: Die Gefahr besteht, dass Zeug*innen oder Mitbeschuldigte beeinflusst oder Beweismittel manipuliert werden.
  • (qualifizierte) Wiederholungs- oder Fortsetzungsgefahr: Es wird angenommen, dass die Person weitere gleichartige Straftaten begeht.

Dauer der U-Haft
Die Anordnung und Verlängerung der U-Haft erfolgt durch das Zwangsmassnahmengericht und ist auf maximal drei Monate befristet. Eine Verlängerung ist möglich, bedarf jedoch eines erneuten Antrags der Staatsanwaltschaft bis spätestens vier Tage vor Ablauf der Frist. Aufgrund des Überhaftverbots (Art. 212 Abs. 3 StPO) darf die Dauer der U-Haft nicht die drohende Haftstrafe überschreiten - unabhängig davon, ob ein Haftgrund besteht oder nicht. Ausserdem hat die beschuldigte Person, immer das Recht auf Beschwerde gegen die Anordnung oder Verlängerung der U-Haft (Art. 222 StPO) und darf zu jeder Zeit die Haftentlassung beantragen. Während der gesamten U-Haft gilt die Unschuldsvermutung. Es kommt immer wieder vor, dass es nach der U-Haft zu einem Freispruch kommt – entsprechend können auch Unschuldige in U-Haft kommen . 

Haftbedingungen in der U-Haft
Das konkrete Haftregime der U-Haft ist äusserst restriktiv. Mit der Begründung der Kollusionsgefahr werden oft sämtliche Kontakte zur Aussenwelt und anderen Mitgefangenen massiv eingeschränkt. Telefonate und Besuche sind nur selten und unter Aufsicht erlaubt. Der Briefverkehr – mit Ausnahme der Anwaltskorrespondenz – wird kontrolliert. Der Anstaltsalltag bedeutet meist 23 Stunden in der Zelle und eine Stunde Hofgang. Es gibt keine Arbeitspflicht, da die Verpflichtung zur Arbeit einer nicht verurteilten Person gegen das Zwangsarbeitsverbot verstossen würde. Hingegen regelt die StPO das konkrete Haftrecht nur rudimentär, die konkreten Haftbedingung werden jeweils aufgrund von kantonalen Gesetzen oder der jeweiligen Anstaltsbestimmungen festgelegt.

Die Sicherheitshaft (Art. 229 StPO)

Die Sicherheitshaft dient dazu, die Anwesenheit der beschuldigten Person während des Gerichtsverfahrens und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen. Im Allgemeinen gelten für die Anordnung einer Sicherheitshaft die gleichen Voraussetzungen wie auch für eine U-Haft. Sie kann angeordnet werden, sobald die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht eingereicht wurde. Sie kann direkt an die U-Haft anschliessen oder auch zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren verhängt werden. Die Sicherheitshaft endet mit dem Sanktionsantritt, der Entlassung oder der Landesverweisung.

Vorzeitigen Straf- und Massnahmenvollzug

Der vorzeitige Straf- bzw. Massahmenvollzug (Art. 236 StPO) wird meistens dann beantragt, wenn eine Verurteilung der beschuldigten (inhaftierten) Person sehr wahrscheinlich ist und die bevorstehende Strafe ein längerer Freiheitsentzug bedeutet. Auf Gesuch der beschuldigten Person kann bereits vor dem Erlass eines rechtskräftigen Urteils die Strafe angetreten werden, anstatt weiter in U-Haft verbleiben zu müssen. Damit stellt der vorzeitige Straf- oder Massnahmenantritt eine «Strafprozessuale Zwangsmassnahme zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug»  dar. Ein Gesuch zur Entlassung aus dem vorzeitigen Vollzug kann jederzeit gestellt werden.

Abgekürztes Verfahren

Bei einer Anklage im abgekürzten Verfahren (Art. 358ff StPO) einigen sich die Staatsanwaltschaft und die beschuldigte Person im Vorfeld über Schuldsprüche und Sanktionen. Ist die beschuldigte Person in der Hauptverhandlung geständig und die vorgesehene Sanktion aus Sicht des Gerichts angemessen, wird die Anklage zum Urteil.

Das abgekürzte Verfahren soll unter gewissen Voraussetzungen eine vereinfachte und beschleunigte Verfahrenserledigung ermöglichen. Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein: 

  • Entsprechendes Gesuch der beschuldigten Person bei der Staatsanwaltschaft
  • Eingeständnis des wesentlichen Sachverhaltes
  • Anerkennung allfälliger Zivilforderungen zumindest im Grundsatz
  • Eine voraussichtliche Freiheitsstrafe von nicht mehr als fünf Jahren

Der beschleunigte Ablauf bringt Vorteile für die Verfahrensbeteiligten und die Justiz, birgt jedoch auch Risiken, insbesondere was die Rechte der Beschuldigten und die Gerechtigkeit der Strafe betrifft.

Das Strafbefehlsverfahren

In der Schweiz wird ein Grossteil aller Strafverfahren im Strafbefehlsverfahren abgeschlossen (Art. 352 – 356 StPO).

Ablauf des Strafbefehlsverfahrens:

  • Ermittlungen werden abgeschlossen
  • Staatsanwaltschaft erlässt einen Strafbefehl (Urteilsvorschlag) und stellt diesen der beschuldigten Person zu
  • Beim Erhalt des Strafbefehls gibt es zwei Handlungsoptionen: I) der Strafbefehl wird akzeptiert (und damit rechtskräftig) II) innert 10 Tagen nach Erhalt wird Einsprache erhoben
  • Wenn Einsprache erhoben wird, kommt es zu einem ordentlichen Strafverfahren. Bleibt die beschuldigte Person der Verhandlung unentschuldigt fern, gilt die Einsprache als zurückgezogen (Art. 355 Abs. 2 StPO)

Im Strafbefehlsverfahren sind einige Spannungsfelder auszumachen: Einerseits vereinigt die Staatsanwaltschaft die Rollen von Anklagebehörde und urteilender Instanz. Zudem fehlt der beschuldigten Person oftmals die Möglichkeit zur Stellungnahme vor Erlass des Strafbefehls. Diese Doppelrolle steht regelmässig in der Kritik – insbesondere im Hinblick auf die Wahrung strafprozessualer Grundrechte.

Vollzug von Strafen

Der Normalvollzug (im Gegensatz zum Spezialvollzug = Massnahmenvollzug) stellt das idealtypische Regime des stationären Strafvollzugs dar (Art. 77 StGB). Der Normalvollzug ist ein umfassender Freiheitsentzug und kommt immer dann zur Anwendung, wenn die Freiheitsstrafe für mehr als 12 Monate angesetzt ist und die Voraussetzungen (z.B. keine Fluchtgefahr) für die Anordnung für andere Vollzugsregime (z.B. Electronic Monitoring/Halbgefangenschaft) nicht gegeben sind. Bevor ein Überblick über die verschiedenen Haftregimes und ihre Merkmale im Schweizer Strafvollzug gegen wird, werden zwei zentrale Elemente des Strafvollzugs erläutert:

Das Prinzip des progressiven Vollzugs

Der progressive Vollzug – auch Stufenvollzug genannt – sieht vor, dass der Justizvollzug schrittweise geöffnet wird, um die Resozialisierung der betroffenen Person zu fördern. Zentrales Instrument im progressiven Vollzug ist der Vollzugsplan. Darin müssen individuelle Vollzugsziele definiert werden und Vollzugslockerungen zeitlich eingeplant sein (vgl. Art. 84 Abs. 6). Die Erstellung des Vollzugsplans ist gesetzlich verpflichtend (vgl. Art. 75 Abs. 3). Beispiele für Vollzugslockerungen sind Haft in einer offenen Justizvollzugsanstalt, Urlaub, Arbeitsexternat oder Electronic Monitoring (EM).

Die im Idealfall durchlaufenen Stationen eines progressiven Vollzugs sehen folgendermassen aus:

  • Eintritt in eine geschlossene oder offene Institution
  • Verlegung in eine offene Anstalt (falls ursprünglich in einer geschlossenen)
  • Gewährung von Urlaub
  • Anordnung eines Arbeitsexternats oder Electronic Monitoring
  • Wohn- und Arbeitsexternat
  • Bedingte Entlassung (nach 2/3 der Strafe möglich)
  • Endgültige Entlassung

Die Vollzugseinrichtungen

Grundsätzlich wird zwischen offenen und geschlossenen Vollzugseinrichtungen unterschieden (Art. 76 StGB). Beide Formen können auch kombiniert auftreten, etwa durch geschlossene Abteilungen in offenen Anstalten. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Einrichtungen liegt in ihren Sicherheitsstandards: Geschlossene Anstalten verfügen über hohe bauliche und technische Sicherheitsvorkehrungen (z. B. Vergitterungen, Mauern, Video- und Infrarotüberwachung). Offene Anstalten haben hingegen geringere Sicherheitsvorgaben.

Im Normalvollzug wird die gesamte Freiheitsstrafe auf dem Gelände der entsprechenden Justizvollzugsanstalt vollzogen. Folgende Merkmale kennzeichnen ihn:

  • Vollzugslockerungen: Das StGB sieht für den Vollzug von Freiheitsstrafen verschiedene Vollzugsöffnungen vor, vgl. Ausführungen zum Prinzip des progressiven Vollzugs
  • Arbeitspflicht: Die inhaftierte Person ist verpflichtet, einer Arbeit nachzugehen (Art. 81 StGB).
  • Entlöhnung: Für die Arbeit besteht Anspruch auf ein Entgelt (Art. 83 StGB). 

Der Normalvollzug wird häufig im Gemeinschaftsvollzug durchgeführt. Das bedeutet:

  • Ruhezeiten werden in Einzel- oder Mehrpersonenzellen verbracht.
  • Arbeitszeit, Freizeit und Mahlzeiten werden meist gemeinsam verbracht.

Eine ununterbrochene Trennung (Einzelhaft) ist lediglich beim Strafantritt oder als Disziplinarsanktion zulässig (Art. 78 StGB). In der Praxis kommt es jedoch insbesondere in Anstalten mit Sicherheits- oder Untersuchungshaftplätzen oft zu einer Angleichung an restriktivere Haftregime, was dazu führen kann, dass der Gruppenvollzug stark reduziert wird (z. B. nur einstündiger Spaziergang).
Die Haftregimes nach dem StGB unterscheiden sich hinsichtlich des Grades an Freiheitsentzug und Alltagsgestaltung. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die verschiedenen Haftregimes und ihre Merkmale im Schweizer Strafvollzug:

Die Ersatzfreiheitsstrafe

Wenn eine Person eine Busse (Art. 106 Abs. 2 StGB) oder Geldstrafe (Art. 36 StGB) nicht bezahlt (bezahlen kann) und diese auch nicht über Betreibung eingetrieben werden kann, wird eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Nahezu die Hälfte aller Personen im Strafvollzug  in der Schweiz befindet sich wegen unbezahlter Bussen oder Geldstrafen in Haft.Ein Tagessatz einer Geldstrafe entspricht einem Tag Freiheitsentzug. Bei Bussen bestimmt das Gericht die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe (mind. 1 Tag, max. 3 Monate) nach Ermessen. Ersatzfreiheitsstrafen können in Electronic Monitoring (EM) umgewandelt werden, nicht jedoch in gemeinnützige Arbeit, sofern diese nicht bereits vor Anordnung beantragt wurde. Die Ersatzfreiheitsstrafen dienen ausschliesslich als Ersatz für unbezahlte Geldstrafen oder Bussen. Wird der Betrag – auch nach Haftantritt – beglichen, ist die Ersatzfreiheitsstrafe sofort zu beenden.

Einzelhaft (Art. 78 StGB)

Die Einzelhaft ist eines der Haftregime, das am meisten Grundrechte tangiert:

  • 23 Stunden Einschluss in Einzelzelle,
  • 1 Stunde Hofgang (allein oder mit wenigen anderen),
  • Arbeits-, Frei- und Ruhezeiten werden in der Einzelzelle verbracht,
  • keine Arbeitspflicht,
  • Kontakte zu Besuchenden, Anwält*innen, Sozial- und Gesundheitsdiensten sollten möglich sein

Unterscheidung zwischen Einzelhaft und Einzelunterbringung

Obwohl die Einzelhaft die Grundrechte stark einschränkt, ist sie nur sehr rudimentär geregelt. Einzelhaft kann gemäss Strafgesetzbuch als Disziplinarmassnahme oder zum Schutz Dritter (Mitgefangene, Personal) oder der betroffenen Person selbst angeordnet werden. Auch im Rahmen des Strafantritts. Zuständig für die Anordnung ist die Anstaltsleitung; Dauer und Ausgestaltung variieren daher je nach Kanton und Anstalt.
Im Unterschied dazu bedeutet Einzelunterbringung lediglich die Unterbringung in einer Einzelzelle – das Haftregime entspricht meist dem Gruppenvollzug (z. B. gemeinsame Mahlzeiten, längere Zellentüröffnungen). Einzelunterbringung sollte im Normalvollzug – insbesondere bei längeren Strafen – Standard sein, da sie Intimsphäre bietet und Schutzräume für vulnerable Personen schafft.

Unterscheidung zwischen Einzel- und Isolationshaft

Laut den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen haben auch Gefangene in Einzelhaft Anspruch auf mindestens zwei Stunden «meaningful» Kontakt mit anderen Personen. Zudem wird davon ausgegangen, dass spätestens nach 14 Tage Einzelhaft nicht wiedergutzumachende psychische Veränderungen erleidet, was Folter gleichkommt. Dies ist jedoch nicht im Schweizer Recht verankert. Wird Einzelhaft über längere Zeit unter besonders restriktiven Bedingungen angeordnet, spricht man von Isolationshaft. Regelmässige Überprüfung des Haftregimes und medizinische Überwachung ist unerlässlich und das Verhältnismässigkeitsprinzip muss gewahrt bleiben.

Wohn- und Arbeitsexternat

Vollzugsstufen sind Haftregime im Sinne des progressiven Strafvollzugs. Sie kommen nicht zu Beginn der Haft zum Einsatz, sondern orientieren sich am Vollzugsplan. Ziel ist es, Personen schrittweise vom geschlossenen Vollzug an ein Leben in Freiheit heranzuführen. Zu den Vollzugsstufen zählen insbesondere das Arbeitsexternat sowie das Wohn- und Arbeitsexternat.

Wohn- und Arbeitsexternat (Art. 77a Abs. 1 und 2 StGB)

Das Wohn- und Arbeitsexternat letzte Stufe im progressiven Vollzug zur schrittweisen Reintegration in die Gesellschaft. 

Haftregime:

  • Wohnen und Arbeiten vollständig ausserhalb der Anstalt,
  • volle Unterstellung unter die Vollzugsbehörde, dadurch eingeschränkte Selbstbestimmung.

Anordnungsvoraussetzungen:

  • Vorherige Bewährung im Arbeitsexternat (die Bewährungsfirst des Arbeitsexternats kann von den Konkordaten ausdrücklich vorgegeben werden),
  • Teilweise Electronic Monitoring als Vorstufe zum Wohn- und Arbeitsexternat

Arbeitsexternat (Art. 77a Abs. 1 und 2 StGB)

Das Arbeitsexternat wird auf kantonaler Gesetztes- oder Verordnungsebene geregelt, bzw. von der zuständigen Vollstreckungsbehörde angeordnet. Es bedarf dabei keiner Zustimmung der gefangenen Person. Im Gegensatz zur Halbgefangenschaft kann im Arbeitsexternat der Arbeitsplatz nicht frei gewählt werden. Dabei gilt nicht nur «klassische» Erwerbsarbeit, sondern auch z.B. Kinderbetreuung, Hausarbeit oder eine Ausbildung als Arbeit. Der Arbeitsweg wird alleine und ohne Überwachung zurückgelegt.

Haftregime:

  • Arbeit findet ausserhalb der Anstalt statt,
  • Ruhe- und Freizeit innerhalb der Anstalt 

Anordnungsvoraussetzungen:

  • Mind. die Hälfte der Freiheitstrafe muss verbüsst sein,
  • i.d.R mind. 6 Monate offenen Vollzug und problemlose Urlaube
  • Keine Rückfall- oder Fluchtgefahr
  • Es muss ein Pensionsgeld an die Anstalt entrichtet werden,

Es gibt keine klare Unterscheidung zwischen anstaltsexterner Arbeit im Normalvollzug und Arbeitsexternat. Bundesrechtlich gesehen könnte es also zu einer Durchmischung von Normalvollzug und Arbeitsexternat kommen. In der Praxis ist diese Durchmischung jedoch gänzlich ungeeignet, daher verfügen viele Anstalten über getrennte Abteilungen.

Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB)

Die Halbgefangenschaft ist ein alternatives Vollzugsregime, das das Risiko einer «Desintegration» durch den Freiheitsentzug für den Verurteilten verringern soll, indem einer regelmässigen Beschäftigung ausserhalb der Anstalt nachgegangen werden kann. Ein Antrag auf Halbgefangenschaft kann auch gestellt werden, ohne bereits eine gewisse Zeit im Normalvollzug verbüsst zu haben.

Haftregime:

  • Beschäftigung findet ausserhalb der Anstalt statt,
  • Ruhe- und Freizeit innerhalb der Anstalt

Anordnungsvoraussetzungen:

  • Die angeordnete Freiheitsstrafe beträgt nicht mehr als 12 Monate,
  • Keine Rückfall- oder Fluchtgefahr
  • Nachgehen einer Beschäftigung, Ausbildung, Arbeit von mind. 20h pro Woche

Gemeinnützige Arbeit (Art. 79a StGB)

Die gemeinnützige Arbeit kann ein alternatives Vollzugsregime zu einer Freiheitsstrafe (von max. 6 Monate), einer Reststrafe nach der U-Haft (max. 6 Monate) oder einer Geldstrafe oder Busse sein. Dabei wird Arbeit von der verurteilten Person unentgeltlich im Dienste der Gesellschaft geleistet.

Das Electronic Monitoring (Art. 79b StGB)

Electronic Monitoring (EM) kann sowohl als ein angeordnetes Haftregime, wie auch als eine Vollzugsstufe innerhalb des Normalvollzug dienen. Ziel dieses Haftregimes ist es, dass die soziale Desintegration, die ein Normalvollzug mit sich bringen würde, konsequent zu vermeiden. 

Anordnungsvoraussetzungen:

  • Freiheits-/Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen bis 12 Monaten
  • Anstelle des AEX oder des AEX- und Wohnexternates für die Dauer von 3-12 Monaten.
  • Keine Fluchtgefahr, keine Wiederholungsgefahr, kein Landesverweis
  • Feste Unterkunft und geregelte Tätigkeit muss vorhanden sein
  • Zustimmung Vollzugsplan seitens des/der Betroffenen

Haftregime: 

  • Sender am Körper zur Überwachung des Bewegungsraums (z.B. via Modem in der Wohnung)
  • Kombination von Überwachung mit Auflagen wie z.B. Hausarrest, Abstinenzvorgaben, Rayon- oder Kontaktverbote
  • Wird ausserhalb der Anstalt, in einem vorgegeben, überwachten Bereich verbracht

Aus menschenrechtlicher Sicht diskutiert wird die Tatsache, dass ausländische und/oder marginalisierte Personen einen erschwerten Zugang zu Alternativen zur Haft haben.

Allgemeine Quellen