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C.D. gegen die Schweiz

31.10.2023

Mitteilung Nr. 1077/2021, Entscheid vom 12. Juni 2023

In seinem Entscheid vom 12. Juni 2023 kam der UNO-Antifolterausschuss (Comittee Against Torture, CAT) zum Schluss, dass der Entscheid der Schweizer Migrationsbehörden, einen kolumbianischen Journalisten auszuweisen, einen Verstoss gegen Artikel 3 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellt. Dem Journalisten würde bei einer Rückkehr nach Kolumbien eine Hinrichtung durch die bewaffnete Gruppierung «Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens» (FARC) drohen.

2019 drehte C. D. einen Dokumentarfilm über Dissidenten, die sich nach dem Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC geweigert hatten, ihre Waffen abzugeben. Der Dokumentarfilm veranschaulicht die Bemühungen der kolumbianischen Regierung um die Wiedereingliederung demobilisierter FARC-Mitglieder. C. D. wurde daraufhin von den Dissidenten auf eine Liste von Entführungs- und Hinrichtungszielen gesetzt und erhielt mehrere Morddrohungen. Er beschloss daher, mit seiner Familie aus Kolumbien zu fliehen.

Im Jahr 2020 stellte C. D. einen Asylantrag in der Schweiz, der vom Staatssekretariat für Migration (SEM) abgelehnt wurde. Begründet wurde der Entscheid damit, dass weder die Drohungen der FARC-Dissidenten umgesetzt wurden, noch der Beschwerdeführer C. D. vor seiner Flucht den Schutz der kolumbianischen Behörden gesucht habe. Die von C. D. eingelegte Beschwerde gegen den Entscheid vom SEM wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVGer) abgewiesen.

Am 4. Juni 2021 reicht C. D. eine Beschwerde beim CAT ein. Darauf erlässt das CAT am 9. Juni 2021 eine vorsorgliche Massnahme, mit der die Schweiz aufgefordert wird, die Rückführung nach Kolumbien bis zur Veröffentlichung seines Entscheids auszusetzen.

In diesem Entscheid vertritt der CAT die Ansicht, dass die Risiken für C. D., seine Frau und ihre beiden Kinder durch die Schweizer Behörden nicht richtig eingeschätzt wurden. C. D. legte zahlreiche Beweise für seine berufliche Tätigkeit als Journalist sowie für Drohungen vor, die er im Zusammenhang mit den Arbeiten am Dokumentarfilm erhalten hatte. Der Ausschuss stellte fest, dass C. D. mehrere Vorkehrungen getroffen hatte, um sich und seine Familie zu schützen. Diese blieben jedoch erfolglos, da die FARC-Dissidenten ihn an seinem Arbeitsplatz aufspüren konnten.

Der Ausschuss verweist auf ein Urteil des BVGer aus dem Jahr 2019, wonach die Schutzgarantien in Kolumbien nicht wirksam waren. Er hält ausserdem fest, dass der Fall von C. D. dem des Journalisten Mauricio Lezama ähnelt, der 2019 von FARC-Dissidenten ermordet wurde, weil er für einen Dokumentarfilm über Gewaltopfer des Bürgerkrieges mit den kolumbianischen Behörden zusammenarbeitete.

Der CAT erinnert daran, dass das Non-Refoulement Prinzip Staaten untersagt, Personen in Länder abzuschieben, in denen «ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass ihnen Folter oder andere Misshandlungen durch nichtstaatliche Instanzen Drohen, einschliesslich Gruppierungen […] über die der Aufnahmestaat de facto keine oder nur eine bedingte Kontrolle hat, deren Handlungen er nicht verhindern kann oder deren Straflosigkeit er nicht entgegenwirken kann.» Darüber hinaus ist der Ausschuss der Ansicht, dass ein Umzug von C. D. innerhalb Kolumbiens keine Option gewesen war, da er auch in einer anderen Region des Landes nicht sicher gewesen wäre.