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Verhüllungsverbot

Das Wichtigste in Kürze

07.10.2019

Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» wurde am 15. September 2017 vom «Egerkinger Komitee» eingereicht, welches im Jahr 2009 mit der Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» bereits Erfolg hatte. Die Initiative zielt insbesondere auf die Gesichtsverhüllung aus religiösen Gründen («Burkaverbot») sowie bei Demonstrationen ab.

Im Folgenden fasst humanrights.ch das Wichtigste in Kürze zur Initiative zusammen.

Was verlangt die Initiative?

Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» verlangt die Aufnahme eines neuen Artikels 10a in die Bundesverfassung. Dieser sieht ein Verhüllungsverbot in der Öffentlichkeit und an öffentlich zugänglichen Orten vor (Absatz 1). Zudem verbietet er, jemanden aufgrund des Geschlechts zu zwingen, sich zu verhüllen (Absatz 2). Ausnahmen sind lediglich aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, des Klimas oder des lokalen Brauchtums möglich (Absatz 3). Der Initiativtext sieht – ausser im Bereich der Sakralstätten – keine Ausnahmeregelungen aus religiösen Gründen vor. Diese Auslegung wird auch vom Egerkinger Komitee auf dessen Internetseite bestätigt.

Gemäss der Initiative wird vom religiösen Verhüllungsverbot neben der Burka auch der Nikab erfasst. Darüber hinaus zielt die Initiative auf ein Vermummungsverbot im Rahmen von Demonstrationen und Sportveranstaltungen ab.

Ein günstiges politisches Umfeld für die Initianten/-innen

Seitdem das Stimmvolk die Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» im Jahr 2009 angenommen hat, wächst in der Schweiz auch die Skepsis gegenüber dem Tragen der Burka und anderen muslimischen Kopf- und Körperbedeckungen im öffentlichen Raum. Während in zahlreichen Schweizer Kantonen bereits grundsätzliche Vermummungsverbote im Rahmen von Demonstrationen oder Sportveranstaltungen bestehen, gehen die rechtlichen Bestimmungen in den Kantonen Tessin und St. Gallen einen Schritt weiter. So haben die Tessiner Stimmbürger/innen am 22. September 2013 mit einem Ja-Stimmenanteil von 65,3 Prozent für eine von der SVP und der EDU lancierten Volksinitiative votiert und dem darin enthaltenen Verbot der Gesichtsverschleierung zugestimmt. Auch das St. Galler Stimmvolk hat sich am 23. September 2018 an der Urne für ein Verhüllungsverbot ausgesprochen.

Beide kantonalen Volksinitiativen widerspiegeln das grundsätzlich gesteigerte Interesse an dieser Thematik. Dies zeigt sich auch an diversen parlamentarischen Vorstössen und weiteren Volksinitiativen auf kantonaler und nationaler Ebene. So hatten sich der Nationalrat und der Ständerat zwischen 2006 und 2013 mit diversen diesbezüglichen Fragen zu beschäftigen. Einerseits mit Vorstössen zu einem generellen Verhüllungsverbot (2010, 2010, 2013, 2013) andererseits mit einem expliziten Burkaverbot (2006 und 2009). Trotz dieser zahlreichen Vorstösse verabschiedeten die beiden Parlamentskammern keinen Vorschlag auf Gesetzesebene.

Der Bundesrat sprach sich seinerseits jeweils klar gegen ein Verhüllungsverbot aus. Zunächst argumentierte er, dass eine entsprechende Regelung nur einen kleinen Teil der Bevölkerung direkt betreffe. Eine Schätzung gehe von maximal 95 bis 130 Burka- und Nikabträgerinnen in der Schweiz aus. Zu einem späteren Zeitpunkt berief er sich schliesslich auf den Föderalismus und hob die Kompetenz der Kantone hervor, wonach diese die rechtlichen Rahmenbedingungen für den öffentlichen Raum selber festlegen können.

Auf Grundlage dieser Argumentation hat sich der Bundesrat gegen die Volksinitiative, jedoch für einen indirekten Gegenvorschlag ausgesprochen. So möchte er auf Gesetzesstufe regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Gesichtsverhüllung im Rahmen eines Behördenkontaktes nicht zulässig ist.

Internationale Entwicklungen und Rechtsprechung

Die Lancierung der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» in der Schweiz deckt sich mit den politischen Entwicklungen in Frankreich, wo bereits seit 2010 ein Burkaverbot gilt. Dieses Verbot wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2014 gebilligt. In seiner Argumentation berief sich der Gerichtshof auf den Ermessensspielraum, welcher es dem streng säkularen französischen Staat erlaubt, mittels eines Burkaverbots das friedliche Zusammenleben zu fördern. Gleichzeitig betonte er aber, dass ein entsprechendes Verbot negative Stereotypen verfestigen und damit intolerantes Verhalten fördern könne.

Das Egerkinger Komitee sieht im Strassburger Urteil eine Bestätigung der Rechtsmässigkeit seiner Volksinitiative und derer Vereinbarkeit mit den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der Schweiz.

Positionierungen nationaler NGOs und weiterer politischer Akteurinnen und Akteure

Schweizer Menschenrechtsorganisationen sprechen sich einstimmig gegen die bevorstehende Volksinitiative aus. Neben Terre des Femmes (neuer Name: Brava) hat beispielsweise auch Amnesty International im Jahr 2015 und 2016 explizit gegen ein Verhüllungsverbot Stellung bezogen. Keine Frau solle zur Verhüllung gezwungen werden. Demgegenüber dürfe der Staat aber auch nicht das Tragen bestimmter Kleidungsstücke verbieten und damit in die persönliche Freiheit der Menschen eingreifen. Den momentan diskutierten indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» erachtet Amnesty International zudem als nicht notwendig, weil sich in der Schweiz nur wenige Frauen verhüllten. Die gesetzliche Regulierung der Verhüllung im Allgemeinen würde somit eine Problematik schaffen, welche in dieser Weise gar nicht bestehe.

Eine weniger eindeutige Positionierung zeigt sich in der politischen Landschaft. Es finden sich auf allen Seiten des politischen Spektrums Gegner/innen und Befürworter/innen der Initiative. So gibt es im rechten politischen Spektrum Personen, welche die Initiative ablehnen, ebenso wie im linken politischen Lager und bei Feministen/-innen solche, die sie befürworten. Diese unkonventionelle Konstellation liegt im Umstand begründet, dass beide Seiten unterschiedliche menschenrechtliche Aspekte in den Vordergrund stellen. So ziehen beispielsweise beide Lager das Gleichstellungsgebot herbei, um die eigene Position zu stützen. Die Gegner/innen eines Verhüllungsverbotes leiten daraus das Selbstbestimmungsrecht aller muslimischen Frauen ab, sich für eine Verschleierung frei entscheiden zu dürfen. Die Befürworter/innen eines Verbotes argumentieren hingegen, dass ein solches als Zeichen gegen die Unterdrückung der Frau verstanden werden muss.

Von der Volksinitiative betroffene Menschenrechte

Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» kann mit diversen Grundrechten aus der Bundesverfassung, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie mit dem UNO-Pakt II über bürgerliche und politische Rechte kollidieren. Besonders betroffen wären bei einer Annahme der Initiative das Recht auf Privatsphäre (Art. 10 BV, Art. 8 EMRK und Art. 17 UNO-Pakt II), die Religionsfreiheit (Art. 15 BV, Art. 9 EMRK, Art. 18 UNO-Pakt II), die Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 BV und Art. 10 EMRK), die Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV, Art. 11 EMRK sowie Art. 21 UNO-Pakt II) sowie letztlich auch das Diskriminierungsverbot (Art. 8 BV und Art. 14 EMRK).

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