23.06.2020
Eine Schranke bildet insbesondere der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der sich aus der Persönlichkeit der Arbeitnehmenden ableitet (Art. 328 OR, Art. 27 ZGB). Gemäss Bundesgericht liegt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur dann vor, wenn einzelne Arbeitnehmende der gleichen Arbeitgeberin willkürlich schlechter gestellt werden. Willkür ist dann gegeben, wenn keine sachlichen Gründe für die Schlechterstellung vorliegen. Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stellt die Besserstellung einzelner Arbeitnehmer/-innen gegenüber anderen Arbeitnehmenden dar.
Vertraglich vereinbarte Ungleichbehandlung bei Lohn- und Arbeitsbedingungen
Im Vertrag können ungleiche Löhne vereinbart werden, denn in eine schlechterstellende Lohnvereinbarung kann gültig eingewilligt werden. Es ist also z.B. zulässig im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, dass der Lohn direkt oder indirekt an das (Dienst-)Alter angeknüpft wird. Das gleiche gilt für die Vereinbarung ungleicher Arbeitsbedingungen aufgrund des Alters.
Weisungsrecht und freiwillige Leistungen
Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt, dass Arbeitnehmende bei der Ausübung des Weisungsrechts, bei freiwilligen Leistungen und Sozialleistungen gleich zu behandeln sind, sofern keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung vorliegen. Daraus folgt, dass z.B. die Nichtgewährung freiwilliger Leistungen aufgrund des Alters den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen kann.
Persönlichkeitsschutz
Die Arbeitgeberin hat nach Art. 328 OR die Pflicht, die Persönlichkeit ihrer Arbeitnehmenden zu achten und zu schützen (Abs. 1), insbesondere der Schutz der Gesundheit und der persönlichen Integrität ist von Bedeutung (Abs. 2). Die Arbeitgeberin muss unter anderem spezifische altersbedingte Bedürfnisse beim Gesundheitsschutz oder allgemein bei der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigen. Gemäss Bundesgericht besteht gegenüber älteren Arbeitnehmenden mit langer Diensttreue eine erhöhte Fürsorgepflicht.
Der Arbeitgeber muss z.B. gegen Altersmobbing und andere Formen der Belästigung gegenüber älteren Arbeitnehmenden vorgehen. Bei der Gestaltung der Arbeit und der Anordnung von Überstunden (Art. 321c OR) ist auf altersbedingte Besonderheiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Zudem hat die Arbeitgeberin im Rahmen des Zumutbaren dafür zu sorgen, dass Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmenden abgebaut werden.
Im Gesetz vorgesehene Ungleichbehandlung
Im Arbeitsvertragsrecht finden sich verschiedene Bestimmungen, die direkt oder indirekt an das Lebensalter anknüpfen. Zum Beispiel hängt die Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin nach Art. 324a Abs. 2 OR von der Anzahl der Dienstjahre der oder des Arbeitnehmenden ab. Vergleichbar ist auch die Regelung in Art. 336c OR hinsichtlich der Sperrfristen bei der Kündigung zur Unzeit. Mit steigender Anzahl Dienstjahre steigt die Dauer des Schutzes vor Kündigung zur Unzeit. Der erweiterte Schutz mit zunehmenden Dienstjahren kann sich auch negativ auswirken, nämlich dann, wenn ein/e Arbeitnehmer/in entlassen wird, damit er oder sie nicht von diesem Schutz profitieren kann.
Überprüfung einer diskriminierenden Regelung
Enthält der Arbeitsvertrag eine diskriminierende Regelung aufgrund des Alters, ist die Zulässigkeit dieser Regelung anhand dreier Punkte zu prüfen.
- Zunächst ist festzustellen, ob die Regelung tatsächlich zu einer diskriminierenden Benachteiligung der einzelnen Person führt und keine überwiegenden Arbeitgeberinteressen geltend gemacht werden.
- Weiter muss festgestellt werden, ob eine zwingende Inhaltsnorm der diskriminierenden Vertragsbestimmung entgegensteht.
- Fehlt eine solche zwingende Inhaltsnorm, ist zu prüfen, ob mit der Regelung gegen die Generalklausel von Art. 19 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossen wird.
Eine diskriminierende Regelung mutiert zu einer Weisung. Das Weisungsrecht findet seine Grenzen in der betrieblichen Notwendigkeit und die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmenden sind zu wahren (Art. 321d OR).
Rechtsfolgen
Eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin und kann zur Geltendmachung von Schadenersatz und Genugtuung berechtigen. Vorausgesetzt ist insbesondere das Vorliegen eines Schadens bzw. einer gravierenden Persönlichkeitsverletzung sowie die Einhaltung der Verjährungsfristen (Art. 127 oder Art. 60 OR).