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Individuelle Mitteilung

16.11.2023

Im Gegensatz zur Beschwerde an den EGMR ist der Inhalt einer individuellen Mitteilung an einen der von der Schweiz als zuständig anerkannten UN-Ausschüsse nicht detailliert geregelt. Für individuelle Mitteilungen sollte (auch wenn es nicht als zwingend bezeichnet wird) das zur Verfügung gestellte Formular verwendet werden. Dabei sollte die maximale Wörterzahl eingehalten werden. Detaillierte Informationen zum genauen Inhalt und der Einreichung einer individuellen Mitteilung können in der «Guidance Note» gefunden werden. Beschrieben wird das Verfahren vor den verschiedenen UN-Ausschüssen im «Fact Sheet», inklusive einer Checkliste aller wichtigen Punkte. Neben dieser sehr ausführlichen Beschreibung existiert auch eine knappere Übersicht über die wichtigsten Informationen und den Ablauf eines individuellen Mitteilungsverfahrens.

Berechtigung zur Einreichung einer Mitteilung

Grundsätzlich kann jede Person, die eine Verletzung ihrer Menschenrechte unter einem der oben aufgeführten Menschenrechtsverträge geltend macht, an die von der Schweiz anerkannten UN-Ausschüsse gelangen. Dabei sind zwei Besonderheiten zu beachten:

  • CERD-Ausschuss: neben einzelnen Personen können auch Personengruppen Mitteilungen an den CERD-Ausschuss machen (Art. 14 CERD).
  • CRC-Ausschuss: neben einzelnen Personen können auch Personengruppen Mitteilungen an den CRC-Ausschuss machen (Rule 13(1) Rules of Procedure under the Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on a Communications Procedure).

Hinsichtlich Mitteilungen an den Kinderrechtsausschuss ist zudem Folgendes zu bemerken: Die Kinderrechtskonvention schützt Kinder. Als Kind definiert werden Menschen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Nach schweizerischem Recht sind Kinder nicht handlungsfähig (Art. 12 i.V.m. Art. 13 ZGB ). Diese fehlende innerstaatliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigt jedoch das Recht eines Kindes, selbst eine Mitteilung beim Kinderrechtsausschuss einzureichen, nicht.

Vertretung

Individuelle Mitteilungen können von Personen eingereicht werden, die eine Verletzung ihrer Menschenrechte geltend machen. In diesen Fällen ist die «beschwerdeführende» Person auch das mutmassliche Opfer einer Menschenrechtsverletzung. Beschwerdeführende Personen werden von den UN-Ausschüssen als «authors», also «Autor*innenen» einer individuellen Mitteilung, bezeichnet.

Individuelle Mitteilungen können mit ausdrücklicher Zustimmung des mutmasslichen Opfers aber auch von dessen nahen Verwandten oder in dessen Vertretung eingereicht werden. Die Zustimmung muss schriftlich erfolgen. Sie ist ansonsten aber an keine besondere Form gebunden. Ausnahmen zur schriftlichen Zustimmung sind zu begründen. Sie werden beispielsweise beim Verschwindenlassen eines Opfers akzeptiert.

Rechtsvertretung

Beschwerdeführende Personen können sich von einem/einer Rechtsvertreter*in oder anderen Vertreter*innen - wie beispielsweise Menschenrechtsorganisationen - repräsentieren lassen.

Eine Rechtsvertretung ist jedoch nicht zwingend notwendig. Das Verfahren der individuellen Mitteilung ist an Laien gerichtet.
Aufgrund dessen werden auch bei Feststellung einer Menschenrechtsverletzung die Kosten für eine Rechtsvertretung weder gänzlich noch teilweise übernommen.

Sprache

Eine Mitteilung ist in einer der Amtssprachen der UN einzureichen. Das sind arabisch, chinesisch, englisch, französisch, russisch und spanisch.

Inhalt der Mitteilung

Individuelle Mitteilungen sind schriftlich, leserlich und unterschrieben einzureichen. Dafür soll das sogenannte «Submission Form of Individual Communications to Treaty Bodies» verwendet werden. 

Unter dem gleichen Link kann auch die «Guidance for Submitting an Individual Communication to the UN Treaty Bodies» heruntergeladen werden.

Individuelle Mitteilungen sollten dabei zumindest die folgenden Informationen beinhalten:

UN-Ausschuss UN-Ausschuss, an den die individuelle Mitteilung gerichtet ist.
Staat Staat, gegen den eine individuelle Mitteilung gerichtet ist.

Grundlegende persönliche Informatioinen:

  • Beschwerdeführende Person
  • Opfer (sofern nicht die beschwerdeführende Person)

Name, Nationalität, Geburtsdatum, Postadresse, E-Mailadresse der beschwerdeführenden Person.

Anonyme individuelle Mitteilungen sind nicht zulässig.

Hinweis: Änderungen der Kontaktangaben sollten dem betreffenden Ausschuss so schnell wie möglich mitgeteilt werden.

Bei (nicht-zwingender) Vertretung Name, Adresse, Telefonnummer und E-Mailadresse der Vertretung.
Anonymisierung Sofern die Anonymisierung der Entscheidung über die Zulässigkeit und/oder der Begründetheit der individuellen Mitteilung erwünscht wird.
Beurteilung anderer regionaler/internationaler Gerichte oder menschenrechtlichen Organe

Sofern die gleiche Sache bereits einem anderen regionalen oder internationalen Gericht oder menschenrechtlichen Organ unterbreitet wurde, sind der individuellen Mitteilung folgende Informationen beizulegen:

  • Gericht/menschenrechtliches Organ
  • Datum der Einreichung
  • Beschwerdeführende Person
  • Geltend gemachte Ansprüche
  • Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein Beispiel für ein solches anderes internatoinales Gericht.

Vorsorgliche Massnahmen (sog. «interim measures») Um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zu vermeiden, können vorsorgliche Massnahmen oder die Schutzmassnahmen zum Schutz der beschwerdeführenden Person und/oder des Opfers vor Vergeltungsmassnahmen beantragt werden. Die beantragten Massnahmen sind zu beschreiben und zu begründen.
Sachverhalt In chronologischer Abfolge sind alle Tatsachen, auf denen die individuelle Mitteilung beruht, darzulegen. Die Beschreibung der Tatsachen sollte so vollständig wie möglich sein und alle relevanten Informatioinen zur individuellen Mitteilung beinhalten.
Angaben zu den ergriffenen innerstaatlichen Rechtsmitteln

In chronologischer Abfolge sollten im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung zudem die ergriffenen innerstaatlichen Rechtsmittel dargestellt werden. Dazu gehören die folgenden Informationen:

  • Datum und Inhalt der Eingaben
  • Behörde/Gericht
  • Datum und Begründung der Entscheidung

Sofern die innerstaatlichen Rechtsmittel nicht ausgeschöpft wurden, ist dies zu begründen.

Geltend gemachte Verletzung und Anspruch

Die beschwerdeführende Person sollte darlegen, warum die beschriebenen Tatsachen eine Verletzung der Menschenrechte von ihr oder eines mutmasslichen Opfers darstellen.

Dabei sollten die spezifischen Artikel des betreffenden Menschenrechtsvertrags aufgeführt werden, deren Verletzung gerügt wird.

Rechtsbehelfe

Auflistung der Rechtsbehelfe, die im Fall der Feststellung einer Verletzung der angerufenen Menschenrecht ersucht werden.

Weiter beizulegende Dokumente

Kopien (keine Originale!) aller Dokumente, die den dargestellten Sachverhalt und die geltend gemachten Menscherechtsverletzungen unterstützen. Dazu zählen insbesondere:

  • Vollmacht
  • Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichtlichkeiten und/oder behördlichen Instanzen
  • Relevante innerstaatliche Gesetze, Verordnungen oder Bestimmungen
  • Beschwerden an oder Entscheidungen von anderen internatioinalen Gerichten oder menschenrechtlichen Organen
  • Medizinische oder psychologische Gutachten und weitere Unterlagen oder Beweise, die den dargestellten Sachverhalt und die geltend gemachte Menschenrechtsverletzung substantiieren können

Diese Dokumente sollten nach Datum antichronologisch organisiert, klar gekennzeichnet und fortlaufend nummeriert werden. Eine kurze Beschreibung deren Inhalts ist empfehlenswert.

Sind die Dokumente nicht in einer Amtssprache der UN abgefasst, muss eine vollständige oder zusammenfassende Übersetzung eingereicht werden.

Die eingereichten Dokumente werden nicht zurückgegeben.

Individuelle Mitteilungen sollten nicht mehr als 50 Seiten lang sein (ohne Anhänge). Ab einer Länge von 20 Seiten sollte eine maximal 5 Seiten umfassende Zusammenfassung beigelegt werden. Diese sollte die wichtigsten Punkte der individuellen Mitteilung beinhalten.

Bei fehlenden notwendigen Informationen oder einer unklaren Darstellung des Sachverhalts nimmt das Sekretariat des «Office of the High Commissioner for Human Rights» («OHCHR») Kontakt mit der beschwerdeführenden Person auf. Gegebenenfalls sind zusätzliche Informationen oder Unterlagen oder die gesamte individuelle Mitteilung erneut und innert der angegebenen Frist einzureichen. Werden diese nicht innert eines Jahres nach der Anfrage eingereicht, wird das Verfahren geschlossen.

Einreichung der individuellen Mitteilung

Die individuelle Mitteilung und die beizulegenden Dokumente sind per E-Mail einzureichen. 

Sofern eine elektronische Einreichung nicht möglich ist, sollte die individuelle Mitteilung zusammen mit den beizulegenden Dokumenten und einer Erklärung, warum eine elektronische Einreichung nicht möglich ist, an die folgende Postadresse gesendet werden:

Petitions and Urgent Actions Section
OHCHR
Palais des Nations
Avenue de la Paix 8-14
1211 Geneva
Switzerland

Fehlt die Erklärung für die postalische Einreichung, wird die individuelle Mitteilung nicht weiterverfolgt.

Anonymisierung und Vertraulichkeit

Die endgültigen Entscheidungen der UN-Ausschüsse werden veröffentlicht.
Sofern die Identität der beschwerdeführenden Person und/oder des mutmasslichen Opfers nicht veröffentlicht werden soll, ist ein entsprechender Antrag auf Anonymisierung so früh wie möglich zu stellen. Anonyme individuelle Mitteilungen sind jedoch nicht zulässig.

Wird ein Antrag auf Anonymisierung erst nach der Veröffentlichung einer endgültigen Entscheidung über die Zulässigkeit oder die Begründetheit einer individuellen Mitteilung gestellt, ist eine Anonymisierung nicht garantiert.

Zeitpunkt der Einreichung

Individuelle Mitteilungen sind so schnell wie möglich nach dem letzten innerstaatlichen Entscheid einzureichen. Verspätungen können die Feststellung einer Menschenrechtsverletzung erschweren. Unter Umständen kann das zu einer Unzulässigkeitsentscheidung führen.

Grundsätzlich kennen die UN-Ausschüsse aber keine Frist zur Einreichung einer individuellen Mitteilung. Davon gibt es aber Ausnahmen. Nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe müssen vor den folgenden UN-Ausschüssen Fristen eingehalten werden:

  • CAT-Ausschuss: seit der Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe darf nicht so viel Zeit vergangen sein, dass die Beurteilung der geltend gemachten Menschenrechtsverletzung unangemessen schwierig ist.
  • CRC-Ausschuss: 1 Jahr nach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe, sofern eine Einreichung innert dieser Frist nicht unmöglich ist.
  • CERD-Ausschuss: 6 Monate nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe.

kontakt

Marianne Aeberhard
Leiterin Projekt Zugang zum Recht / Geschäftsleiterin

marianne.aeberhard@humanrights.ch
031 302 01 61
Bürozeiten: Mo/Di/Do/Fr

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