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Diskriminierungsverbot - Dossier

Übersicht über das schweizerische Arbeitsrecht

23.04.2020

Begriffserklärungen

Direkte und indirekte Diskriminierung

Anstellungs-, Inhalts- und Kündigungsfreiheit (Vertragsfreiheit)

In der Schweiz hat der private Arbeitgeber grundsätzlich das Recht, frei zu entscheiden, wen er anstellen will und wen nicht. Wird eine Arbeitsstelle mit dem objektiv unqualifizierteren Kandidaten besetzt, hat der objektiv qualifiziertere keine Klagemöglichkeit. Dies ist eine Folge des hohen Stellenwerts  der Vertragsfreiheit. Dies gilt auch für den Vertragsinhalt und die Kündigung: Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das Recht, über den Vertragsinhalt frei zu entscheiden (bezüglich Lohn zum Beispiel), sowie dem Arbeitnehmer auf Ende der Kündigungsfrist ohne Angabe von Gründen zu kündigen.

Grenzen findet die Vertragsfreiheit in den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, die sich aus dem Obligationenrecht, anderen Gesetzen sowie völkerrechtlichen Verträgen ergeben.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die «normale» Kündigung:
Bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag steht es der Arbeitgeberin sowie der Arbeitnehmerin frei, jederzeit auf Ablauf der Kündigungsfrist zu kündigen. Ist vertraglich nichts anderes vereinbart, gilt nach der Probezeit eine Kündigungsfrist im ersten Arbeitsjahr von einem, im zweiten bis und mit neunten auf zwei und nachher auf drei Monate.

Die fristlose Kündigung gemäss Art. 337 OR:
Jeder Arbeitsvertrag kann wirkungsvoll per sofort von beiden Parteien beendet werden. Liegen wichtige Gründe vor, ist dies gerechtfertigt. Ist das nicht der Fall, so ist die fristlose Kündigung widerrechtlich (aber nicht anfechtbar). In diesem Fall schuldet die ungerechtfertigte Partei der anderen eine Entschädigung.

Ablauf:
Ist ein Arbeitsverhältnis befristet, so ist es nach Ablauf der Vertragsdauer beendet.

Aufhebungsvereinbarung:
Ein laufendes Arbeitsverhältnis kann jederzeit durch eine gegenseitige Übereinkunft aufgehoben werden. Der Arbeitnehmende darf dabei nicht schlechter gestellt werden, als wenn ihm ordentlich gekündigt worden wäre.

Einzelarbeitsvertrag (EAV, Art. 319ff. OR)

Der Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin. Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich zur Leistung von Arbeit, der Arbeitgeber zur Zahlung von Lohn.

Durch die sogenannte Rezeptionsklausel in Art. 342 Abs. 2 OR können öffentlich-rechtliche Ansprüche des Arbeitnehmers auch privatrechtlich durchgesetzt werden, wenn diese sich aus dem Inhalt des Einzelarbeitsvertrages ergeben.

Gesamtarbeitsvertrag (GAV, Art. 356ff. OR)

Dies sind vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden. Es werden Mindestarbeitsbedingungen festgelegt, die von den unterstellten Arbeitgebenden wie Arbeitnehmenden eingehalten werden müssen. Ein GAV ist nur dann auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar, wenn alle Betroffenen einer involvierten Koalition angehören. Der Staat (Bund oder Kanton) kann einen GAV als allgemein verbindlich erklären (Allgemeinverbindlicherklärung), so dass sämtliche Betriebe einer Branche daran gebunden sind. In der Schweiz gibt es über 1000 verschiedene Typen von Gesamtarbeitsverträgen, denen rund 50 % der ArbeitgeberInnen in der Privatwirtschaft unterstellt sind.

Normalarbeitsvertrag (NAV, Art. 359ff. OR)

Der NAV ist im Gegensatz zum GAV keine vertragliche Vereinbarung. Er ist eine durch die Behörde erlassene Verordnung, welche für Arbeitsverhältnisse bestimmter Arbeitnehmergruppen (Pflegepersonal, Assistenzärzte, Hauswirtschaft) unmittelbar anwendbare Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufstellt. Er gilt nur, wenn die Parteien nichts Abweichendes vereinbaren.

Normenhierarchie

Der Einzelarbeitsvertrag (EAV, Art. 319ff. OR) und die Gesamtarbeitsverträge (GAV, Art. 356ff. OR) regeln insbesondere das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Firmenreglemente und Betriebsordnungen sind ebenfalls verbindlich und in der Praxis wichtig.

Lohnformen (Art. 322ff. OR)

Die Arbeitgeberin bezahlt dem Arbeitnehmer ein Entgelt für die verrichtete Arbeit. Die kann in verschiedenen Formen geschehen:

  • Zeitlohn: Die Entlöhnung nach Zeitabschnitten: Üblicherweise nach Monaten, möglich sind aber auch Jahre, Wochen oder Stunden.
  • Akkordlohn: Die Entlöhnung nach geleisteter Arbeit.

Sondervergütungen (Gratifikationen) (Art. 322d OR)

Die Arbeitgeberin kann diese zusätzlich zum eigentlichen Lohn an bestimmten Anlässen wie Weihnachten, Abschlüssen oder Geschäftsjubiläen ausbezahlen. Von der Gratifikation zu unterschieden sind Fälle, in denen die Zulage den Charakter eines festen Lohnbestandteiles hat, wie zum Beispiel der 13. Monatslohn.

Wird eine Gratifikation in drei aufeinanderfolgenden Jahren vorbehaltslos ausgerichtet, mutiert sie zu einem Lohnbestandteil und kann eingeklagt werden.

Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Gesetzesnormen bezüglich Diskriminierung

In der Schweiz gibt es kein einheitliches Diskriminierungsgesetz. Verschiedene Diskriminierungsmerkmale werden in unterschiedlichen Gesetzen abgehandelt. Zentral sind folgende Gesetzesnormen:

Die Bezugnahme auf internationale Menschenrechte

Auch verschiedene völkerrechtlicher Abkommen tragen dazu bei, einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung in privaten Arbeitsverhältnissen in der Schweiz zu garantieren. Dazu gehören:

Zwar sind viele internationale Garantien mit einem arbeitsrechtlichen Gehalt in der Schweiz nicht direkt anwendbar. In diesem Falle können betroffene Einzelpersonen nicht direkt aufgrund dieser Abkommen klagen.

Dennoch lohnt es sich, bei arbeitsrechtlichen Klagen zusätzlich zum Landesrecht wenigstens auch auf einen allenfalls passenden Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK zu rekurrieren. Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR stützt sich in seiner neueren integrativen Auslegung der EMRK immer wieder auch auf sozialrechtliche Garantien aus anderen internationalen Menschenrechtsabkommen – auch, wenn der Betroffene Staat nicht Vertragspartei ist.

So hat der EGMR beispielsweise im Fall Niemitz (EGMR v. 16.12.1992, Appl. No. 13710/88, Niemitz./.Deutschland) entschieden, dass der Schutzbereich von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) auch die Arbeitswelt umfasst.

Aufgrund dieser Entscheidung wäre es also grundsätzlich möglich, gegen eine Kündigung aufgrund der Homosexualität des Arbeitnehmers zu klagen.

Vgl. dazu unseren Artikel Die Bedeutung der EMRK für das schweizerische Arbeitsrecht.