02.08.2017
Lohn/Gratifikation
Schon in der Bundesverfassung steht in Art. 8 Abs. 3 im dritten Satz, dass Frauen und Männer Anspruch auf gleichen Lohn für die gleichwertige Arbeit haben. In Art. 3 Abs. 2 GlG wird dies konkretisiert.
Das Bundesgericht definiert in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen den Begriff der gleichwertigen Arbeit nicht bloss durch ähnliche, das heisst gleichartige Arbeiten, sondern bezieht sich darüber hinaus in Zusammenhang mit indirekten Lohndiskriminierungen auch auf Arbeiten unterschiedlicher Natur. Ob Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten sind, kann nicht wissenschaftlich objektiv und wertfrei entschieden werden, sondern hängt von Beurteilungen ab, die unterschiedlich ausfallen können.
In der Privatwirtschaft können nur die Löhne innerhalb eines Betriebes miteinander verglichen werden. Selbstverständlich sind unterschiedliche Löhne geschlechterunabhängig nicht problematisch, wenn die besser entlöhnte Person eine bessere Qualifikation mitbringt.
Die Lohngleichheit bezieht sich im Übrigen auch auf Gratifikationen: Bekommt eine weibliche Angestellte nicht gleichviel Weihnachtsgeld wie ihr männlicher Kollege, muss dies sachlich begründet sein.
Arbeitszuteilung
Wenn aufgrund von Stereotypen (bspw. wegen einer unterstellten geringeren Belastbarkeit oder wegen unterstellter geringerer mathematischer oder technischer Kenntnisse) den angestellten Frauen in einer Firma von vorherein bestimmte Aufgaben verwehrt werden, ist dies direkt geschlechterdiskriminierend nach Art. 3 GlG. Sind gewisse Aufgaben in einer Firma den Vollzeitarbeitenden vorbehalten, kann dies eine indirekte Diskriminierung von Frauen darstellen, da überwiegend Frauen Teilzeit arbeiten.
Aus- und Weiterbildung
Wenn nur männlichen Angestellten die Möglichkeit erhalten, sich weiterzubilden, oder nur deren Kosten übernommen werden, wenn nur Männer Urlaub für Weiterbildungen erhalten usw. liegt eine direkte Geschlechterdiskriminierung vor. Wenn wiederum nur Vollzeitangestellte einen Anspruch auf Weiterbildung haben, könnte eine indirekte Diskriminierung vorliegen.
Beförderung
Gemäss Lehre liegt direkte Diskriminierung bspw. vor, wenn Frauen bei Beförderungen übergangen werden, obwohl sie besser qualifiziert wären als beförderte Kollegen, wenn Frauen generell nicht in gewisse Positionen befördert werden, wenn Frauen mit kleinen Kindern nicht befördert werden, usw. Eine indirekte Diskriminierung könnte wiederum vorliegen, wenn grundsätzlich nur Vollzeitangestellte die Chance auf eine Weiterbildung erhalten.
Sexuelle Belästigung
Sexuelle belästigung ist «jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechterzugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt». Die Situation kann nur im konkreten Zusammenhang zweifelsfrei begutachtet werden. So kann die Frage, ob jemand ein schönes Wochenende verbracht habe, als harmloses Interesse gedeutet werden. Wird die Frage jedoch mit einem Augenzwinkern gestellt, kann dies auf allfällige sexuelle Tätigkeiten abzielen, was sexuell belästigend wäre.
Handlungsmöglichkeiten nach Art. 5 GlG
Liegt eine Diskriminierung im Sinne der Absätze 3 oder 4 GlG vor, hat die betroffene Arbeitnehmerin mehrere Möglichkeiten:
- Sie kann auf die zukünftige Unterlassung der diskriminierenden Handlung klagen
(Art. 5 Abs. 1 lit. a GlG) - Sie kann auf Beseitigung des diskriminierenden Zustandes klagen (Art. 5 Abs. 1 lit. b GlG)
- Sie kann durch Klage feststellen lassen, dass ein diskriminierendes Verhalten vorliegt (Art. 5 Abs. 1 lit. c GlG)
- Im Falle einer diskriminierenden Entlöhnung kann sie auf Lohnnachzahlung klagen (Art. 5 Abs. 1 lit. d GlG)
- Sie kann auf Entschädigungen klagen. Diese Entschädigung ist kein Schadenersatz im eigentlichen Sinne, da sie auch einen bestrafenden Charakter für den Arbeitgeber hat. Die Entschädigung kann maximal 6 Monatslöhne betragen. (Art. 5 Abs. 2-4 GlG)
Das Gleichstellungsbüro für Frau und Mann sowie weitere Beratungsstellen können Betroffenen direkt weiterhelfen.
Fristen und Beweislast
Art. 5 Abs. 1 lit. d GlG eröffnet den Anspruch auf Lohnnachzahlung im Rahmen der Verjährungsfrist (d.h. für die fünf vergangenen Jahre, vgl. Art. 128 Ziff. 3 OR). Die Frist beginnt mit der Fälligkeit jedes einzelnen Lohnes zu laufen, und dies unabhängig davon, ob die Lohndiskriminierung bekannt war oder nicht. Zudem kann gestützt auf Art. 5 Abs. 1 lit. b GlG die Beseitigung der Diskriminierung verlangt werden. Das GlG enthält zudem eine Beweislasterleichterung in Art. 6; so muss eine Diskriminierung lediglich glaubhaft gemacht und nicht bewiesen werden.
Nicht nur in Bezug auf den vertragsinhaltlichen Punkt «Entlöhnung» findet Art. 3 Abs. 2 GlG Anwendung, sondern auch auf die Gestaltung übriger Arbeitsbedingungen, die Aufgabenzuteilung, Weisungen, die Aus- und Weiterbildung sowie die Beförderung.