Der Blick auf den aktuell gültigen Rechtsschutz zeigt: Diskriminierung ist in weitaus mehr Ausprägungen rechtlich verboten als gemeinhin angenommen. Wer diskriminiert wird, hat oft Recht. In der Realität bringt das allerdings in den meisten Fällen keine Abhilfe. Wer im Fall einer Diskriminierung Recht hat, wird mit grosser oder an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht Recht bekommen. Umgekehrt gilt: Wer diskriminiert, verstösst oft gegen das geltende Recht, die Wahrscheinlichkeit jedoch, rechtlich Konsequenzen tragen zu müssen, liegt praktisch bei null. Die Ausführungen in diesem Abschnitt zeigen, dass die Hindernisse auf dem Rechtsweg zahlreich und hoch sind.
Das Problem der fehlenden Abschreckung und schwachen Mobilisierung des Rechts gilt besonders für Diskriminierungen aufgrund der sozialen Stellung, von Armut, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen oder antisemitischen Zuschreibung (s. z.B. die juristische Untersuchung zu «Anti-Schwarze-Rassismus»), der Religionsangehörigkeit, der Weltanschauung oder politischen Überzeugung, der Sprache, des Lebensalters, der sexuellen Orientierung, des Körpergewichts, einer chronischen Krankheit und der fahrenden Lebensform. Bis zu einem bestimmten Grad Ausnahmen bilden Diskriminierungen aufgrund des Frauseins (Analysen und Evaluationen zum Gleichstellungsgesetz) und einer Behinderung (Evaluation vom Behindertengleichstellungsgesetz). Dafür gibt es spezialisierte Gesetze, die Massnahmen zur Um- und Durchsetzung des Rechts auf Nichtdiskriminierung enthalten (Übersicht zur Rechtslage in der Schweiz).
Diese rechtlich unbefriedigende Situation mag für juristisch ungeschulte Menschen zunächst widersprüchlich erscheinen. Rechtssoziologische Forschung und Erfahrungsberichte aus der Antidiskriminierungspraxis aber zeigen auf, warum das geltende Recht nicht oder nur ungenügend funktioniert (Evaluationen zum Gleichstellungsgesetz, Behindertengleichstellungsgesetz und Deutschen Gleichbehandlungsgesetz). Worin genau liegen die aktuellen Probleme? Und wie können diese durch ein gutes Rahmengesetz gemindert werden?
Das Antidiskriminierungsgesetz…
- schafft ein Gegengewicht zu schwerwiegenden Ungleichheiten
- sensibilisiert für strukturelle Problemstellen und legt den Fokus auf das Wesentliche
- macht versteckte Diskriminierungen sichtbar
- führt zu mehr Gerechtigkeit
- erhöht Rechtssicherheit und Effizienz
- verbessert die abschreckende Wirkung des Rechts
- baut für alle Seiten Unsicherheiten, Berührungsängste und Scham ab
- stärkt die Demokratie
- ermöglicht die Suche nach einer gemeinsamen Lösung zwischen den Konfliktparteien
- unterstützt Beratungsstellen, Anwält*innen und Justizpersonal
- formuliert eine faire Regelung, um feststellen zu können, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht
- stellt sicher, dass das Kostenrisiko für die Betroffenen gering ist
- hilft Rechtssuchenden bei Angriffen auf ihre Integrität sowie anderen negativen Reaktionen und Nachteilen
- schafft ein Beschwerderecht für Organisationen bei Diskriminierungen, die eine grössere Anzahl von Menschen betreffen
- schützt Organisationen und Personen vor ungerechten Vorwürfen
- bietet Lösungen für gruppenübergreifende Herausforderungen
1. Das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) schafft ein Gegengewicht zu schwerwiegenden Ungleichheiten
Diskriminierungen lassen sich nicht auf Einstellungs- oder Verhaltensprobleme einzelner Personen beschränken. Vielmehr sind sie die Folge von Diskursen und Normen, die historisch gewachsen sind und die Gesellschaft und ihre Institutionen prägen (Grundlagentext von Albert Scherr). Unsere Vorstellungen, Regeln und Handlungsweisen über Teilhabe und Zugehörigkeit sind von Ungerechtigkeiten geprägt, die chronisch und laufend Privilegien und Diskriminierungen hervorbringen (Studienübersicht der Antidiskriminierungsstelle Deutschland zu mehrdimensionaler Diskriminierung, Tangram der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus mit dem Fokus auf strukturelle rassistische Diskriminierung).
Mit der Forderung nach einem Rahmengesetz zur Bekämpfung jeder Form der Diskriminierung sowie der Förderung der Teilhabe können wir massgeblich dazu beitragen, ein Gegengewicht zu diesen strukturellen Ungleichheiten zu schaffen (vgl. die Evaluationen zum englischen Equality Act 2010 sowie zum Deutschen Gleichbehandlungsgesetz). Die Kampagne dazu hat das Potenzial, öffentliche Diskussionen und den politischen Diskurs dahingehend zu prägen, Menschen in ihrer Vielfalt als Individuen anzuerkennen und wertzuschätzen. Auch wird sie dazu beitragen, dass sich breitere Bevölkerungskreise mit dem Thema befassen. Das wird zu Widerspruch und Konflikten führen, zugleich aber auch bereits bestehende Potenziale der Offenheit innerhalb der Gesellschaft mobilisieren.
Unter dem Strich entsteht bereits in der politischen Diskussion über ein solches Gesetz eine produktive Auseinandersetzung zu wichtigen Fragen der Gerechtigkeit. Zudem unterstützt das ADG das Gemeinwesen und private Organisationen darin, ihre Aktivitäten darauf auszurichten, für möglichst alle Gruppen gleichberechtigt zugänglich zu sein. All dies ist mit dem Ziel verbunden, gestützt auf einer transparenten und klaren rechtlichen Grundlage schrittweise und über lange Zeit den Wert der Nichtdiskriminierung zu stützen und Diskriminierungen abzubauen.
Eine umfassende Regulierung von Diskriminierung ist ferner notwendig, um gruppenübergreifende Herausforderungen zu bewältigen wie namentlich mehrdimensionale und algorithmische Diskriminierung. --> xx (Link zu Unterargument)
2. Das ADG sensibilisiert für strukturelle Problemstellen und legt den Fokus auf das Wesentliche
Menschen begehen täglich – direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst, aktiv oder passiv, im privaten Alltag oder in Ausübung einer Funktion für eine Organisation – diskriminierende Handlungen (vgl. Portal Intersektionalität mit einer Reihe von Studien dazu). Menschen, die aufgrund von gesellschaftlichen Stereotypen von Diskriminierung betroffen sind, sind diesen praktisch täglich und in mehrfacher Ausführung ausgesetzt. Vielfach sind es institutionelle Regeln, Kulturen oder Algorithmen, durch die Diskriminierungshandlungen hervorgerufen werden – mit oder ohne Absicht, bewusst oder unbewusst. Ob wir nun die allermeisten dieser unzähligen Fälle rechtlich angehen wollten, indem wir Anzeige oder Beschwerde machten, oder eine Behörde von sich aus eine Untersuchung in jedem Einzelfall einleiten würde: Das Rechtssystem wäre komplett überfordert. Aktuell verfolgt das Recht aber mehrheitlich genau diese wenig hilfreiche Strategie: Statt Entscheidungsträger*innen in die Verantwortung zu nehmen, verweist es Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, auf den zumeist erfolglosen Rechtsweg (aktuelle Rechtslage).
Ein Antidiskriminierungsgesetz eröffnet uns einen Ausweg, indem es den Fokus auf das Wesentliche richtet. Anstatt sich in Einzelfällen zu verlieren, wird dem Grundproblem der strukturellen Ursachen sowie institutionellen Mechanismen der Diskriminierung die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Das primäre Ziel eines Gesetzes ist also nicht, möglichst jede einzelne Diskriminierung in den Griff zu kriegen, sondern den Blick für Massnahmen mit Hebelwirkung zu schärfen, die eine grosse Anzahl von Diskriminierungskonstellationen verringern oder verhindern. Dazu zählen vor allem sogenannte institutionell-organisatorische Verpflichtungen (Abschnitte 4 und 5 ADG). Sie übertragen Verantwortungsträger*innen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft die Aufgabe, Regeln, Ablauf, Ablauforganisation sowie Organisationsprozesse auf strukturelle Diskriminierungsgefährdungen hin zu untersuchen und Gegenmassnahmen zu implementieren.
Ein Beispiel dafür, wie rechtliche Verpflichtungen dazu führen können, eine grosse Anzahl an Diskriminierungen erheblich zu verringern, sind die Regelungen im Behindertengleichstellungsrecht für einen barrierefreien öffentlichen Verkehr. Der am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Artikel 22 des Behindertengleichstellungsgesetzes sieht vor, dass bestehende Bauten und Anlagen für den öffentlichen Verkehr sowie Kommunikationssysteme spätestens 20 bzw. 10 Jahren nach Inkrafttreten behindertengerecht sind. Dieses Ziel wurde bislang noch nicht erreicht; die Massnahmen jedoch haben dazu geführt, dass zunehmend mehr Menschen mit Mobilitätsbehinderungen selbstbestimmt reisen können und nicht mehr im selben Ausmass Mobilitätsdiskriminierung ausgesetzt sind. Das wiederum bewirkt, dass sich die gesellschaftliche Vorstellung, Menschen mit Behinderungen seien nicht zur Selbstständigkeit fähig, verändert. Insgesamt führt dies zu weniger Diskriminierung sowie einer erhöhten sozialen Verantwortung für Diskriminierungsvorfälle (Evaluation Behindertengleichstellungsgesetz).
3. Das ADG macht versteckte Diskriminierungen sichtbar
Die allermeisten Diskriminierungen sind versteckt. Entweder spielen sie sich im Kopf der Menschen ab und können dadurch nicht so leicht erkannt und bewiesen werden – oder sie verbergen sich hinter scheinbar neutralen Regeln als indirekte Diskriminierung. Eine zunehmende Herausforderung sind Diskriminierungen durch Systeme der künstlichen Intelligenz und Algorithmen. Sie werden dazu genutzt, Stellenbewerbungen auszusortieren, Steuererklärungen automatisch zu bearbeiten, Krankheiten zu diagnostizieren, Verbrechen vorherzusagen, das Rückfallrisiko von Straftäter*innen zu bewerten oder Arbeitsmarktintegrationschancen von Geflüchteten einzuschätzen.
Hinzu kommt, dass Diskriminierung und Privilegierung oft nicht eindimensional, sondern über verschiedene Eigenschaften und Zuschreibungen auf komplizierte Weise miteinander agieren (rechtstheoretische Studie zu mehrdimensionaler Diskriminierung). So etwa hängt die Höhe der Autoversicherungsprämie unter anderem von Geschlecht, Nationalität und Lebensalter ab. Je nachdem führt das für ein und den*dieselben Versicherten gleichzeitig zu Vor- und Nachteilen – unabhängig vom persönlichen Verhalten und der eigenen Schadensbilanz. Das macht es äusserst schwierig zu erkennen, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht.
Mit dem Antidiskriminierungsgesetz wird gestützt auf klare Definitionen (Art. 2 Diskriminierungsverbot, Art. 5 Formen der Diskriminierung) eine Regel verankert, die Gesetzgeber und Behörden dazu verpflichten, bestehende und neue Gesetze sowie Massnahmen daraufhin zu untersuchen, ob sie indirekte und multiple diskriminierende Effekte enthalten oder auslösen können (Art. 16 Implementierung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung). Dazu gehören auch spezifische Verpflichtungen zur Herstellung von Transparenz, Auskunft und Folgenabschätzungen, um algorithmische Diskriminierung durch teil- bzw. vollautomatisierte Entscheidungssysteme so gut als möglich zu vermeiden (Art. 22 Schutz vor algorithmischer Diskriminierung).
Ein Beispiel dafür, wie gesetzlich verankerte Untersuchungsverpflichtungen versteckte Diskriminierung offenlegen, ist die in Artikel 13a Gleichstellungsgesetz verankerte Pflicht zur Durchführung einer Lohngleichheitsanalyse. Bis Ende Februar 2024 haben 187 Unternehmen mit insgesamt 500'000 Angestellten eine entsprechende Analyse vorgenommen (Informationen zur Lohngleichheitsanalyse). Dadurch konnten hilfreiche Erkenntnisse zu diskriminierenden Effekten in der Lohnstruktur von Unternehmen festgestellt werden, die ansonsten nicht bekannt geworden wären.
4. Das ADG führt zu mehr Gerechtigkeit
Das geltende Recht ist ein Flickenteppich, der gewisse Diskriminierungen ernst nimmt, andere wiederum weniger oder gar nicht. Der rechtliche Schutz unterscheidet sich von Gruppe zu Gruppe, nach Lebensbereichen und Arten der Diskriminierung. Ebenfalls unterschiedlich ist die Art, wie das Verfahren zum Rechtsschutz und die Rechtsfolgen geregelt sind. Die Gründe dafür sind mannigfaltig (s. dazu auch die einleitenden Worte zum Vorschlag eines Antidiskriminierungsgesetzes).
Beispielsweise (Warnung: Jetzt wird einem der Kopf konfus): Eine Person, die eine rassistische Lohndiskriminierung erfährt, kann nicht gestützt auf das Gleichstellungsgesetz dagegen vorgehen. Demgegenüber kann eine Transperson die Anpassung des Lohnes erstreiten, sollte der Nachteil sexistisch begründet sein. Umgekehrt kann sich eine Transperson nicht auf das strafrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 261bis StGB, Art. 171c MStG) berufen, wenn sie aufgrund von Transfeindlichkeit mehr für eine Dienstleistung wie z.B. eine Privatversicherung bezahlen muss – derweil einer dunkelhäutigen Person, die rassistisch diskriminiert wird, diese Möglichkeit offensteht. Allerdings hat dieselbe dunkelhäutige Person nicht die Möglichkeit, gestützt auf das Strafrecht eine Anpassung des Versicherungsvertrags an nichtdiskriminierende Bedingungen zu verlangen. Dieser Unterschied hängt damit zusammen, dass das Strafrecht nur dafür da ist, schwerwiegendste Handlungen zu bestrafen und keine Beseitigung der Diskriminierung ermöglicht. Der dunkelhäutigen Person steht somit einzig die Möglichkeit offen, über den weitaus komplizierteren und unsicheren Umweg einer Klage wegen Persönlichkeitsverletzung eine entsprechende Anpassung des Vertrags zu verlangen – die Aussicht auf Erfolg ist allerdings äusserst gering (siehe dazu auch die Übersicht zu den privatrechtlichen Normen zum Schutz vor Diskriminierung). Wird der Person nun aus anderen Gründen wie etwa einer Behinderung, des Lebensalters oder der sozialen Stellung weniger Lohn bezahlt, hat sie weder die Möglichkeit, sich auf der Grundlage des Gleichstellungsgesetzes noch des strafrechtlichen Diskriminierungsverbots zur Wehr zu setzen.
Die Liste von Beispielen, welche die ungleichen rechtlichen Schutzstandards aufzeigen, könnte weiter verlängert werden. Umso wichtiger ist es, mit einem Antidiskriminierungsgesetz sicherzustellen, dass alle Diskriminierungen gleichbehandelt werden – unabhängig davon, wen sie betreffen, in welchem Lebensbereich und -ort und wie sie geschehen. Ein ADG stellt auf umfassende und für alle Seiten faire Weise privat-, verwaltungs- und strafrechtliche Instrumente zur Verfügung, die Diskriminierungen nach Art und ihrer Schwere einer fairen Lösung zuführen (Artikel 8-13 ADG). Somit könnte etwa eine Person unabhängig davon, warum sie beim Abschluss einer Motorhaftpflichtversicherung diskriminiert wird (z.B. aufgrund des Lebensalters, der Nationalität oder des Geschlechts) auf derselben und klaren rechtlichen Grundlage dagegen in einem privatrechtlichen Verfahren vorgehen. Das Gericht würde die Interessen der klagenden Person, der Versicherer und des Versicherungskollektivs abwägen, ob eine solche Benachteiligung gerechtfertigt ist oder nicht. Wird eine rechtswidrige Diskriminierung festgestellt, wird die Prämie an nichtdiskriminierende Bedingungen angepasst (Artikel 8 ADG).
Zusätzlich sieht das ADG eine Regelung vor, die die zuständigen Aufsichts- und Leitungsbehörden verpflichtet, eine Untersuchung gegen ein Versicherungsunternehmen einzuleiten, sollte der Anschein bestehen, dass die im Einzelfall festgestellte Diskriminierung weitere Personen betrifft (Artikel 15 ADG). So kann auf effiziente Weise und über den Einzelfall hinaus Gerechtigkeit geschaffen werden, ohne dass jede einzelne Person ein Rechtsverfahren für sich selbst anstrengen muss, das mit Risiken und Kosten verbunden ist. Bei verbreiteter Diskriminierung besteht sodann die Möglichkeit, dass ein Verband eine aufsichtsrechtliche Beschwerde, eine zivilrechtliche Klage (Artikel 9 ADG) sowie zusätzlich eine strafrechtliche Anzeige (Artikel 13 ADG) einreichen kann. Wichtig ist dabei immer, dass die Sanktionen nicht nur abschreckend, sondern auch dem Schaden angemessen und gegenüber der diskriminierenden Person verhältnismässig ausgestaltet sind.
5. Das ADG erhöht die Rechtssicherheit und Effizienz
Die geltende Rechtslage ist unübersichtlich. Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, müssen einen grossen Aufwand betreiben, um herauszufinden, ob sie rechtlich geschützt sind und wo sie sich beraten lassen können. Auch Anwält*innen sowie weitere Fachpersonen in Beratungsstellen oder in der Justiz sind mit der Fülle an rechtlichen Regelungen und unbestimmten Rechtsbegriffen oft überfordert. Die heutige Rechtslage führt dazu, dass die Expert*innen auf eine spezifische Gruppe und eine beschränkte Rechtslage spezialisiert sind wie etwa im Bereich sexuelle Gewalt gegenüber Frauen. Spezialist*innen stehen also vor allem für jene Rechtsfragen zur Verfügung, die bereits spezialgesetzlich geregelt sind wie z.B. das Behindertengleichstellungsrecht (siehe dazu mehr bei Inclusion Handicap) oder das Recht für die Gleichstellung von Frau und Mann (siehe die Übersicht auf der Homepage des eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann). Allerdings gibt es auch in diesen Bereichen viel zu wenig Ressourcen für Beratung. Noch weniger Fachpersonal gibt es angesichts der schwachen Rechtslage für Bereiche wie Alters-, Armuts-, LGBTQIA+, genetische, rassistische oder der Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts. Ebenfalls mangelhaft ist das Angebot an Rechtsberatung bei algorithmischen und mehrdimensionalen bzw. Mehrfachdiskriminierungen – bei Themen also, die noch relativ neu und komplex sind oder mehrere Diskriminierungsdimensionen beinhalten.
Das löchrige Netz an juristischer und interdisziplinärer Beratungskompetenz bewirkt bei allen Betroffenen Unsicherheiten. Es hat zur Folge, dass der Rechtsschutz für diskriminierte Menschen nicht effektiv ist. Damit verbunden sind unnötige Kosten aufgrund zusätzlicher Rechercheaufwendungen und mangelhafter Ratschläge, die wenig hilfreich sind und die Betroffenen oft entmutigen und aufgeben lassen. Die rechtlichen Unklarheiten betreffen aber auch die Organisationen, die dazu verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Tätigkeit möglichst diskriminierungsfrei zu agieren. Sie wissen nicht genau, welche Pflichten sie haben und wie sie sich organisieren müssen, damit sie diese bestmöglich einhalten können – zum Beispiel, wenn es darum geht, nach welchen Kriterien ein Unternehmen Mitarbeiter*innen auswählen darf, ohne dabei Recht zu verletzen.
Ein Antidiskriminierungsgesetz trägt dazu bei, das Problem der Diskriminierung und die rechtlichen Regeln dazu auf den Punkt zu bringen. Es wird in einem speziellen Gesetz prominent geklärt, was Diskriminierung bedeutet (Artikel 2 ADG), wann eine Rechtsverletzung vorliegt (Artikel 5 ADG), welche Rechtsansprüche und Sanktionen daraus erfolgen (Artikel 8 und 13 ADG) und wie diese durchgesetzt werden können (Artikel 8-15 ADG). Ausserdem werden die Verpflichtungen zuhanden der staatlichen und privaten Verantwortungsträger*innen aufgeführt (Artikel 23-26 ADG) sowie ein dafür zuständiges Bundesamt (Artikel 23 ADG) und eine Ombudsstelle (Artikel 24 ADG) geschaffen. Zudem wird das Verhältnis zu anderen Gesetzen sowie zum kantonalen und kommunalen Recht geklärt (Artikel 3 und 4 ADG). Indem alle themen- und gruppenübergreifenden sowie grundsätzliche Regelungen in einem Gesetz zusammengeführt sind, erhalten die Rechtsunterworfenen eine gut strukturierte Übersicht und Handlungsgrundlage: Eine Unternehmerin kennt die Regeln ebenso wie der Leiter eines Amtes, und diskriminierungsgefährdete Personen haben etwas weniger Unsicherheiten bei der Suche nach ihren Rechten. Beratungsstellen und Justizbehörden können sich rasch orientieren, und Gesetzgeber sowie Regierungs- und Verwaltungsbehörden erhalten einen klaren Rahmen, um die Umsetzung des Diskriminierungsschutzes in den staatlichen Aufgabenbereichen zu konkretisieren.
Ein Beispiel für eine explizite Regelung, die über die 30 Jahre der praktischen Anwendung immer mehr Licht ins Dunkle des Rechts brachte, sind die strafrechtlichen Verbote «der Rasse, Ethnie und Religion» (Art. 261bis Diskriminierung und Aufruf zu Hass). Wer etwa «öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen» aus einem der genannten Gründe in einer gegen die Menschenwürde verstossende Weise herabsetzt oder diskriminiert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die ausdrückliche Regelung hat dazu geführt, dass Menschen, die rassistisch beleidigt werden, vermehrt bereit sind, Anzeige zu erstatten (siehe hierzu die Analyse der Rechtspraxis und Datenbank der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR). Zudem konnten sich Strafverfolgungsbehörden, Anwält*innen und Interessenorganisationen Kompetenzen zur Frage aneignen, wie sich eine rassistische von einer nicht-diskriminierenden Beschimpfung für die betroffenen Opfer unterscheidet.
6. Das ADG verbessert die abschreckende Wirkung des Rechts
Wer diskriminieren möchte, muss sich im Grunde wenig Sorgen machen, dafür rechtlich belangt zu werden. Bei diskriminierenden Benachteiligungen ohne offen diskriminierende Äusserungen oder Gewalttaten liegt das Risiko mit wenigen Ausnahmen praktisch bei null (vgl. z.B. die juristische Untersuchung zu Anti-Schwarze-Rassismus). Einzig in jenen Bereichen, in denen es klare und ausdrückliche rechtliche Regeln und gute Um- und Durchsetzungsinstrumente gibt, die eine rechtliche Sanktionierung wahrscheinlich machen, zeigt sich ein gewisser Abschreckungseffekt (vgl. Evaluationen Behindertengleichstellungsgesetz und Gleichstellungsgesetz für Frau und Mann).
Ein Beispiel für abschreckende Regelungen sind die Normen für behindertengerechtes Bauen (Übersicht der Rechtsregeln bei procap): Wer durch geplante Neubauten oder Sanierungen benachteiligt werden könnte, kann während des Baubewilligungsverfahrens von der zuständigen Behörde verlangen, dass die Benachteiligung unterlassen wird. Die für die Erteilung einer Bewilligung zuständige Baubehörde ist verpflichtet, von Amtes wegen zu prüfen, ob das Vorhaben behindertengerecht ist. Zudem können Behindertenorganisationen Baubewilligungsverfahren mittels Einsprache blockieren. Im Wissen um die damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Folgen achten jene, die einen Bau in Auftrag geben, ihn planen und umsetzen, eher darauf, die behindertengleichstellungsrechtlichen Vorgaben einzuhalten oder bei Bedarf nachzubessern.
Ein Antidiskriminierungsgesetz enthält ein umfassendes Normprogramm, das Diskriminierungen auch über die bestehende löchrige Rechtslage hinaus verbietet und Rechte formuliert, mit denen für Betroffene die Hürden auf dem Rechtsweg herabgesetzt werden. Namentlich sind dies: die Beweislasterleichterung (Artikel 10 ADG), die Unentgeltlichkeit des Verfahrens (Artikel 12 ADG), ein Verbandsklage- bzw. -beschwerderecht (Artikel 9 ADG), die Möglichkeit sich an eine Ombudsstelle des Bundes zu wenden und beraten zu lassen (Artikel 12 und 24 ADG) sowie das vorgelagerte Schlichtungsverfahren mit unentgeltlicher Rechtsvertretung (Artikel 11 ADG). Hinzu kommt das Mittel der strafrechtlichen Sanktionierung (Artikel 13 ADG) und verwaltungsrechtlichen Untersuchungspflicht (Artikel 15 ADG) bei systematischen und verbreiteten Formen der Diskriminierung, wo bei Verdacht einer Rechtsverletzung eine Untersuchung von Amtes wegen eingeleitet werden muss.
Durch die erhöhte Wahrscheinlichkeit, in ein Rechtsverfahren verwickelt zu werden, sind dem Recht unterworfene Organisationen eher bereit, diskriminierungsverhindernde Massnahmen zu ergreifen. Studien zeigen, dass insbesondere die Unentgeltlichkeit des Verfahrens, die Beweismassreduktion und Beweislastumkehr sowie das Schlichtungsverfahren dazu beitragen, die Anzahl von Beschwerden zu erhöhen. Zudem helfen sie, einen Konflikt zu befrieden, insbesondere mit dem Instrument der Streitschlichtung, wo beide Seiten miteinander sprechen, um eine faire Lösung zu suchen (Untersuchungsreihe zum Antidiskriminierungsrecht in der EU und den EU-Mitgliedstaaten).
7. Das ADG baut für alle Seiten Unsicherheiten, Berührungsängste und Scham ab
Das Recht und die damit verbundenen Verfahren sind für die meisten Menschen ungewohnt, verunsichernd und fremd. Für Personen, die von Diskriminierungen betroffen sind, gilt das in besonderem Masse. Sie verfügen statistisch über weniger Mittel und Wissen, um einen mit so vielen Risiken und Schwierigkeiten behafteten Weg zu beschreiten. Hinzu kommt, dass Diskriminierungserfahrung mit Scham verbunden ist und die Betroffenen sich mit dem Rechtsweg erneuten Verletzungsrisiken aussetzen. Menschen, die sich schämen, haben oft das Gefühl, sie hätten auch etwas falsch gemacht, und möchten sich nicht exponieren. Der Rechtsweg wird insgesamt als abschreckend wahrgenommen. Andererseits ist er bei manchen mit der unrealistischen Hoffnung auf eine rasche Lösung verbunden. Wird klar, wie lange und mit welchen Anstrengungen und Kosten der Rechtsweg verbunden ist, erfolgt die Ernüchterung (vgl. dazu die Studie Racial Profiling: Erfahrung, Wirkung, Widerstand zum komplizierten Verhältnis von Diskriminierungserfahrung und der Bereitschaft, sich rechtlich zu exponieren).
Unsicherheiten und Scham können auch bei Menschen entstehen, die mit einem Diskriminierungsvorwurf konfrontiert werden. Das liegt unter anderem daran, dass diskriminierendes Verhalten von vielen Menschen als persönliches Defizit und nicht als gesellschaftliches Problem begriffen wird. Das kann dazu führen, dass der Diskriminierungsvorwurf bei den Betroffenen verdrängt oder gar durch das Gefühl ersetzt wird, selbst ungerecht behandelt zu werden oder ein schlechter Mensch zu sein. Stattdessen wäre es angebracht, dass sich die Person sich mit dem eigenen Verhalten, Denken und Fühlen auseinandersetzt und sich dabei auch bewusstwird, dass dieses mit gesellschaftlichen Vorstellungen und institutionellen Regeln und Kulturen zusammenhängen kann (Diskriminierung – was ist das überhaupt?).
Ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz wird zum einen dazu beitragen, die Diskriminierungserfahrung und das Verständnis für die Vielfalt von Diskriminierungsrealitäten anzuerkennen. Zum anderen wird es dazu beitragen, Diskriminierung als ein Problem, das uns alle angeht, besser zu verstehen (Artikel 2 ADG). Die anerkennende Sprache und konkreten Hilfestellungen tragen dazu bei, Unsicherheiten, Berührungsängste und Schamgefühle abzubauen. Letztlich kommt der Schutz vor Diskriminierung ja auch allen zugute: Jeder Mensch wird mal älter, viele haben sozioökonomische Nachteile und nicht wenige sind armutsgefährdet, 43% der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund, über die Hälfte der Menschen sind Frauen – und auch das eigene weltanschauliche Denken ist nicht immer mit der Mehrheitsvorstellung konform.
8. Das ADG stärkt die Demokratie
Eine gut funktionierende Antidiskriminierungspolitik leistet einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Integration (Wechselwirkung zwischen Diskriminierung und Integration). Barrieren werden abgebaut, mehr Menschen nehmen an der Gestaltung der Gesellschaft teil und haben auf diese einen Einfluss. Die Demokratie, verstanden als eine Organisationsform, in der möglichst viele Menschen gleichberechtigt mitbestimmen können, wird weiter ausgebaut. Damit verbunden ist eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts – bestenfalls hin zu einer inklusiven Gesellschaft, an der alle gleichwertig teilhaben.
Das Antidiskriminierungsgesetz wird Verantwortungsträger*innen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Bildung und Gesellschaft motivieren, sich mit den Auswirkungen von Diskriminierung sowie den Gegenmassnahmen auseinanderzusetzen – namentlich in Bezug auf Regeln, Routinen und Verfahren in ihren Organisationen, für ihre Branchen und in den jeweiligen Berufsgruppen. Insbesondere werden sie sich darüber Gedanken machen, wie die Leistungen und Aktivitäten, die sie anbieten, das Personal, das diese umsetzt, die Kundschaft und die Formen der Zusammenarbeit diskriminierungssensibler organisiert werden können. Das ADG sieht hierzu auch eine Reihe von Verpflichtungen zur Beseitigung und Verhinderung struktureller Diskriminierung vor (Artikel 16-21).
Die Forderung nach einem ADG stellt die Frage nach Gerechtigkeit und Solidarität auf ganzheitliche Weise und hat das Potenzial, produktive gesellschaftliche Konflikte auszulösen und die politische Diskussion zu bereichern. Den Menschen wird ein Spiegel vorgehalten, durch den sie mit der Frage konfrontiert werden, inwieweit sie selbst Privilegien haben oder Diskriminierung erfahren – und ob sie bereit sind, sich mit «anderen» Gruppen zu solidarisieren oder nicht. Zugleich werden dieselben Menschen erkennen, dass auch die spezifische Diskriminierung, die sie selber erfahren, rechtlich anerkannt und ernst genommen wird. Das wird auch jene herausfordern, die selbst Teil einer oder mehrerer diskriminierter Gruppen sind, ihre eigenen Positionen und Strategien zu überdenken.
9. Das ADG ermöglicht die Suche nach einer gemeinsamen Lösung
Unser Rechtssystem ist weitgehend darauf ausgerichtet, vor Gericht entweder zu gewinnen oder zu verlieren. Eine Ausnahme bilden die Schlichtungsverfahren in bestimmten zivilrechtlichen Angelegenheiten (Artikel 197 Zivilprozessordnung) wie etwa vor der Mietschlichtungsstelle oder bei Persönlichkeitsverletzung. Bevor die Parteien das Gericht anrufen, soll grundsätzlich ein formalisierter Aussöhnungsversuch stattfinden (Informationen zum allgemeinen Schlichtungsverfahren sowie Informationsblatt zum mietrechtlichen Schlichtungsverfahren). Bei Streitigkeiten mit dem Staat jedoch besteht ein solches Verfahren in der Regel nicht – eine Ausnahme bildet das Schlichtungsverfahren bei Streitigkeiten nach Gleichstellungsgesetz in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen (Schlichtungsverfahren nach Gleichstellungsgesetz).
Der konfrontative Charakter des Rechtsstreits ist für viele Menschen eine sehr hohe Hürde (Bericht zum Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen). Sie wissen nicht, was sie erwartet, haben Sorgen, Ängste und Unsicherheiten. Das kontradiktorische Verfahren kann negative Gefühle schüren oder verstärken. Zudem verfügen Personen, die diskriminiert werden, vielfach nicht über dieselben finanziellen, fachlichen und mentalen Ressourcen wie das Gegenüber, um die Kosten des Verfahrens zu decken oder die Risiken dafür zu tragen und allfällige negative Folgen eines Rechtsstreits in Beruf, Wohnen oder anderen Bereichen zu verhindern.
Mit der unabhängigen Ombudsstelle enthält das ADG ein Angebot für jene, die das Bedürfnis haben, sich mit dem Gegenüber produktiv auseinanderzusetzen, um so gemeinsam eine gerechte Lösung zu finden (Artikel @@ ADG). Jede Person und Organisation hat bei einem Konflikt die Möglichkeit, die Ombudsstelle unentgeltlich und ohne unnötige Formalitäten anzurufen. Die Ombudsperson ist verpflichtet, eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, die von Empathie, Verständnis und Unterstützung geprägt ist. Das Verfahren nicht öffentlich und vertraulich. Das Verfahren bietet Hand für eine gute Lösung für alle, die auf Freiwilligkeit beruht (vgl. den Jahresbericht 2023 der Ombudsstelle der Stadt Zürich). Der Gang zu dieser Stelle ist freiwillig, und die Parteien können jederzeit entscheiden, den ordentlichen Gerichtsweg zu beschreiten.
Eine Studie des europäischen Netzwerks für Gleichstellungsstellen zeigt, welche Bedeutung die unterschiedlichen Formen von Ombuds- und anderen Anlaufstellen für Menschen haben können, die von Diskriminierung betroffen sind (Enhancing the impact of equality bodies and ombudsperson offices).
10. Das ADG unterstützt Beratungsstellen, Anwält*innen und Justizpersonal
Beratungsstellen, Anwälte und Richterinnen verfügen vielfach nicht über das nötige Spezialwissen im Umgang mit Diskriminierung, insbesondere in Bereichen ohne Spezialgesetze (wie das Gleichstellungsgesetz für Frau und Mann und das Behindertengleichstellungsgesetz). Zusätzlich sind sie selbst Teil der historischen Diskriminierungsrealität und im eigenen Denken, Fühlen und Handeln davon geprägt. Für diskriminierte Personen kann das höchst problematische Folgen haben. Ein Beispiel dafür ist der Fall von Mohamed Wa Baile, der sich gegen institutionellen Rassismus der Polizei zur Wehr setzte. Zahlreiche Beratungsstellen, die er um Hilfe bat, waren mit dem Problem überfordert. Danach war er über sechs Jahre lang mit (ausschliesslich männlichen) Richtern konfrontiert, die aus mangelndem Wissen nicht bereit waren, der Polizei Schranken zu setzen. Auch seine Anwältin war über die ganze 9-jährige Laufzeit des Rechtsstreits auf Unterstützung von Expert*innen zu Rassismus angewiesen, damit Wa Baile schliesslich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Erfolg haben konnte (wegweisendes EGMR-Urteil zu rassistischem Profiling im Fall Wa Baile).
Mit dem ADG wird für Beratungsstellen, Anwält:innen und das Justizpersonal ein Recht auf unentgeltliche Rückberatung eingeführt (Artikel @@ ADG). Sie haben die Möglichkeit, sich an die unabhängige Fachstelle für Rechtsfragen zu richten, die der Ombudsstelle angegliedert ist. So können sie ihre Kompetenzen im Umgang mit Diskriminierungsfragen verbessern. Durch diese Professionalisierung wird auch das Vertrauen der von Diskriminierung betroffenen Menschen in diese Stellen verbessert – und damit der Zugang zum Recht gestärkt.
11. Das ADG formuliert eine faire Regelung, um feststellen zu können, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht
Die weitaus meisten Diskriminierungen geschehen versteckt. Daher ist es für Menschen oder Organisationen, die diskriminiert werden, schwierig, eine solche zu beweisen. Wird ein sogenannter Vollbeweis verlangt, braucht es einen Einblick in die Praxis und Köpfe der Organisationen und Menschen, die der Diskriminierung verdächtigt werden – was praktisch unmöglich ist. Demgegenüber ist es für jene, denen Diskriminierung vorgeworfen wird, einfach sich zu entlasten, wenn keine Diskriminierung vorliegt. So etwa können Dokumente vorgelegt werden, die deutlich machen, dass sachliche Gründe für eine bestimmte Entscheidung ausschlaggebend waren.
Mit einem ADG würde eine transparente und faire Beweisregelung verbindlich festgelegt (Artikel @@ ADG). Für die beschwerdeführende Person wird das sogenannte Beweismass herabgesetzt: Sie muss Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen eines Verstosses gegen das Diskriminierungsverbot als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Gelingt dieser Anscheinsbeweis, obliegt es der beklagten bzw. beschwerten Person, den Verstoss durch einen sogenannten vollen Entlastungsbeweis zu widerlegen. Dadurch wird es einfacher, der Tatsachenlage auf die Spur zu kommen. Eine angemessene Regelung zur Beweisführung unterstützt zudem den bei Streitigkeiten mit Behörden bestehenden Untersuchungsgrundsatz, der die Behörden verpflichtet, den Sachverhalt von Amtes wegen richtig und vollständig zu ermitteln.
12. Das ADG stellt sicher, dass das Kostenrisiko für die Betroffenen gering ist
Ein wesentlicher Grund, warum viele Menschen nicht in der Lage oder bereit sind, sich auf dem Rechtsweg zur Wehr zu setzen, sind die finanziellen Kosten, die daraus entstehen – bzw. die finanziellen Risiken. Wer vor einem Zivilgericht oder im Verwaltungsverfahren verliert, muss die Verfahrenskosten teilweise oder gar vollständig übernehmen. Das kann mehrere tausend Franken bedeuten. Einzig die Verfahren vor Strafgericht sind unentgeltlich. Hinzu kommen allerdings in allen Verfahren – zivil-, verwaltungs- und strafrechtlich – die Honorare für die eigene Rechtsvertretung durch eine Anwältin oder einen juristischen Berater. Diese Kosten summieren sich teilweise bis zu mehreren 10'000 Franken. Anwaltskosten können auch dann anfallen, wenn eine Person vor Gericht Recht bekommt. Im bekannten Fall «Wa Baile gegen die Schweiz» beliefen sich die Kosten für die Anwältin und die juristische Beratung auf ca. 80'000 Franken, wovon am Schluss lediglich 22'000 zurückerstattet wurden. Ohne finanzielle Unterstützung durch Privatpersonen wäre es den meisten Betroffenen unmöglich, ein solches Verfahren zu führen.
Mit einem Antidiskriminierungsgesetz werden zwei wichtige Regeln eingeführt, die das Kostenrisiko massgeblich minimieren. Erstens sind Verfahren bis zur letzten Instanz unentgeltlich (Artikel @@ ADG). Verfahrenskosten können einzig jenen Parteien auferlegt werden, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhalten, etwa wenn sie eine Beschwerde aus Schikane einreichen. Zweitens besteht ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung durch spezialisierte private Organisationen, die staatlich finanziert sind (Artikel @@ ADG). Damit wird das Problem der Kosten für die anwaltschaftliche Vertretung vor Gericht zwar nicht gelöst, kann dieses in weniger komplexen Fällen aber verringern, indem die Kosten durch die unentgeltliche Rechtsberatung teilweise oder vollständig ersetzt werden.
13. Das ADG hilft Rechtssuchenden bei Angriffen auf ihre Integrität sowie vor anderen Nachteilen
Menschen, die sich gegen Diskriminierung rechtlich zur Wehr setzen, werden nicht selten mit negativen Reaktionen von Dritten konfrontiert. Dazu gehören Beschimpfungen, Bedrohungen oder anderweitige unangenehme Annäherungen. Mohamed Wa Baile, der sich bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Rassismus durch die Polizei wehrte, erhielt über Jahre Drohbriefe. In einem Fall lauerte ihm gar eine Person vor der Kita seiner Kinder auf und schüchterte ihn mit herabsetzenden Worten ein.
Rechtssuchende riskieren weitere Nachteile (am Beispiel eines Rechtsstreites wegen einer rassistischen Polizeikontrolle). Dazu gehören sogenannte juristische Gegenanzeigen oder -beschwerden. Typisches Beispiel dafür sind unmittelbar erfolgende Gegenanzeigen von der Polizei – wegen Nichtbefolgens polizeilicher Anordnung, Hinderung einer Amtshandlung, Nötigung, Drohung oder Gewalt gegen die Polizei. Weitere mögliche Folgen von Verfahren wegen Diskriminierung sind Rückstufungen im ausländerrechtlichen Status, Kürzungen von Sozialleistungen, negative Auswirkungen auf das Einbürgerungsgesuch sowie der Verlust einer Stelle oder Mietwohnung. Diese Risiken bestehen deshalb, weil durch eine Anzeige bzw. Beschwerde wegen Diskriminierung Informationen zutage treten können, die den Migrationsbehörden, Sozialdiensten, dem Arbeitgeber oder der Vermieterin sauer aufstossen können. So etwa erteilte eine Verwaltung einer Person, die die Polizei wegen Rassismus angezeigt hatte, keine weiteren Übersetzungsaufträge mehr – und meldete dies auch dem Sozialdienst, wo der Mann aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gemeldet war. Infolgedessen wurde auch sein Einbürgerungsgesuch sistiert.
Eine besonders schwierige Erfahrung machen Diskriminierungsbetroffene, wenn das Justizpersonal die Diskriminierung verharmlost, ihre Tatsache in Frage stellt oder gar selbst eine Diskriminierung begeht. Letztlich garantiert selbst ein Urteil zugunsten der diskriminierten Person nicht, dass sie tatsächlich Recht bekommt – dann nämlich, wenn das Urteil nicht richtig, unvollständig oder gar nicht umgesetzt wird.
Das Antidiskriminierungsgesetz stellt für Schutzsuchende und ihre Angehörigen Beratung und Soforthilfe sowie längerfristige Hilfe zur Verfügung. Wer von einer Diskriminierung betroffen oder von einer solchen bedroht ist, hat Anspruch auf unentgeltliche juristische und psychosoziale Beratung bei dafür spezialisierten unabhängigen Stellen [Artikel 14 ADG). Bei einer strafrechtlich relevanten Diskriminierung verweist das ADG zudem auf das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz), das zusätzlich auch Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe, Entschädigung und Genugtuung umfassen kann. Der Bund ist verpflichtet, die dafür erforderlichen finanziellen, personellen und fachlichen Mittel zu sichern.
Ausserdem enthält das ADG eine Regelung gegen Benachteiligungen, die eine Person erfährt, einzig weil sie ihre Rechte wahrnimmt (Artikel 7 ADG – Verbot von Rachemassnahmen). Wer beispielsweise einer Person kündigt, weil sie nicht damit einverstanden ist, dass sie den Rechtsweg beschreitet, verstösst gegen das ADG und kann angeklagt werden. Verboten sind auch Benachteiligungen gegenüber Personen, die eine von Diskriminierung betroffene Person auf dem Rechtsweg unterstützen oder als Zeug*innen aussagen. Erfährt eine Person eine Benachteiligung allein dadurch, dass sie in einem besonderen Näheverhältnis zu einer Person steht, die Träger*in eines Diskriminierungsmerkmals ist, handelt es sich gar um eine eigenständige Form einer sogenannten assoziierten Diskriminierung (Artikel 5 Absatz 6 ADG), gegen die sie sich dank dem ADG auf dem juristischen Weg wehren kann. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn einer Person die Arbeitsstelle gekündigt wird, weil sie sich für ihren Arbeitskollegen einsetzt, der rassistisches Mobbing erfährt.
Wichtig zu erwähnen ist schliesslich auch das Recht von professionellen Beratungsstellen und Anwält*innen, sich unentgeltlich von einer bei der Ombudsstelle angesiedelten Rückberatungsstelle informieren zu lassen, um ihre Kund*innen besser vor Angriffen schützen zu können (Artikel 24 Absatz 9 ADG)
14. Das ADG schafft ein Beschwerderecht für Organisationen bei Diskriminierungen, die eine grössere Anzahl von Menschen betreffen
Hinter Einzelfällen von Diskriminierung stehen oft systemische Probleme, die weitere Menschen betreffen. Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist die Lohndiskriminierung von Angestellten im Pflegebereich im Vergleich zu Polizist*innen (vgl. den Fall zum Bundesgerichtsurteil BGE 136 II 393 vom 31. August 2010). Ein aktuelles Beispiel ist die Diskriminierung von jüngeren Männern bestimmter Nationalitäten bei Autoversicherungsprämien (Berechnung der Prämien nach Nationalität). Wenn sich nun eine Person individuell und in eigenem Namen gegen eine Diskriminierung wehrt und vor Gericht Recht erhält, gilt dieser Entscheid heute nur für sie. Bei einer individuell festgestellten Lohndiskriminierung etwa wird die entsprechende Organisation verpflichtet, den Lohn der Person anzupassen; keine Verpflichtung jedoch besteht bislang zu einer Anpassung des gesamten Lohnsystems, die auch die Diskriminierung weiterer Angestellter beseitigen würde, ohne dass diese alle einzeln vor Gericht gehen müssen. Hinzu kommt, dass in vielen Bereichen die Hürden für eine individuelle Klage so hoch sind, dass sie sich für die einzelne Person nicht lohnt (zu den juristischen, strukturellen, ökonomischen und psychischen Hürden eines Rechtsverfahrens). Es ist von daher kein Zufall, dass es im Bereich der Autoversicherungsprämien noch nie zu einem juristischen Verfahren bis vor Bundesgericht gekommen ist.
Das Antidiskriminierungsgesetz sieht mit dem Verbandsbeschwerde- bzw. -klagerecht ein effizientes Mittel für Fälle vor, bei denen sich der Ausgang des Verfahrens voraussichtlich auf eine grössere Zahl von Betroffenen auswirken wird oder eine über die individuelle Betroffenheit hinausgehende Bedeutung vorliegt (Artikel 9 ADG). Das Recht auf eine solche Verbandsbeschwerde bzw. -klage in eigenem Namen haben Organisationen, die nach ihren Statuten eine oder mehrere im ADG festgelegten Diskriminierungen, Diskriminierungsformen oder Gruppeninteressen bekämpfen und seit mindestens 5 Jahren bestehen. Der Vorteil einer solchen Verbandsbeschwerde bzw. -klage besteht darin, dass Organisationen eher in der Lage sind, sich aufwändige Rechtsverfahren zu leisten, als Einzelpersonen, die in der Regel nicht über die notwendigen Mittel verfügen. Zudem ermöglicht es der Organisation, ihre Praxis zur Vermeidung laufender und künftiger Diskriminierung effizienter auszugestalten.
15. Das ADG schützt Organisationen und Personen vor ungerechten Vorwürfen
Kritiker*innen eines stärkeren Schutzes vor Diskriminierung argumentieren unter anderem damit, dass Organisationen und Personen mit missbräuchlichen Klagen und Beschwerden belastet werden könnten (Artikel zur Diskussion rund um das Deutsch Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz). Dazu gehören beispielsweise schikanöse Rechtsschritte, die aus Gründen der Rache erfolgen, um eine Person oder Organisation ungerechtfertigt unter Druck zu setzen, oder aus anderen unlauteren Absichten. Solche rechtlichen Vorwürfe können die Betroffenen finanziell, psychologisch oder aufgrund eines möglichen Imageschadens belasten.
Theoretisch ist es zwar möglich, dass Rechtsverfahren wegen scheinbarer Diskriminierung missbräuchlich angestrengt werden. Untersuchungen haben jedoch immer wieder festgestellt, dass das äusserst selten vorkommt (siehe dazu die Evaluation des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in Deutschland). Dennoch bietet das Antidiskriminierungsgesetz gewisse Schutzmechanismen auch für solche missbräuchlichen Vorgehensweisen. So haben die Justizbehörden die Möglichkeit, auf entsprechende Rechtsbegehren nicht einzutreten sowie der klagenden bzw. beschwerdeführenden Person, die sich erwiesenermassen mutwillig oder leichtsinnig verhält, Verfahrenskosten vollständig oder teilweise aufzuerlegen (Artikel 12 Absatz 2 ADG). Solche Massnahmen schrecken erfahrungsgemäss vor unvernünftigen Rechtsschritten ab.
Ebenfalls zunehmend kritisch betrachtet werden sogenannte strategische Rechtsverfahren. Bemängelt wird, dass diese nicht zum Schutz einer Person angestrengt, sondern «politische» Ziele verfolgen würden. Dem ist entgegenzusetzen, dass strategische Rechtsverfahren anders als bei rechtsmissbräuchlichen Klagen und Beschwerden in der Absicht erfolgen, grundlegende systemische Veränderungen zum Schutz vor Diskriminierung vieler Menschen anzustossen (Was ist strategische Prozessführung?). Es geht also nicht darum, eine Organisation zu schikanieren, sondern eine tatsächlich bestehende Diskriminierung gerichtlich anzufechten, um so über den Einzelfall hinaus eine diskriminierende Praxis von Behörden, Unternehmen oder Organisationen zu verändern. Hierzu sieht das ADG ein sogenanntes Verbandsklage- bzw. -beschwerderecht vor. Ein weiteres Ziel von strategischen Verfahren ist es, die Gesellschaft breit über Diskriminierungsprobleme zu sensibilisieren und Menschen zu mobilisieren, sich gegen Diskriminierung zu engagieren. Schliesslich können strategische Rechtsverfahren auch die Rechtsprechung weiterentwickeln. Sie werden nur schon deshalb kaum je schikanös angestrengt, weil mit ihnen in der Regel sehr hohe Kosten und Risiken verbunden sind (Guide to Strategic Litigation).
16. Das ADG bietet Lösungen für gruppenübergreifende Herausforderungen
Eine Diskriminierung kommt selten allein und hängt von vielen Faktoren ab. Sexismus beispielsweise zeigt sich je nach Lebensalter unterschiedlich. So kann eine jüngere weisse Frau sexualisiert werden, während einer älteren weissen Frau Sexualität abgesprochen wird. Dieselben zwei Frauen erfahren Sexismus in unterschiedlichen Bereichen, sozialen Räumen und Ausprägungen ausserdem dann, wenn sie z.B. aufgrund des islamischen Glaubens ein Kopftuch oder kein religiöses Kleidungsstück tragen. Während die muslimische, ältere Frau Sexismus vielfach auch auf rassistische Weise erfährt – etwa wenn sie im Rahmen eines Einbürgerungsverfahrens als «unterdrückt und darum nicht integriert» bezeichnet wird –, kennt die weisse, jüngere Frau rassistische Herabsetzung kaum. Gegenüber beiden Frauen kann es aus je unterschiedlichen Motiven zu weiteren Formen der Diskriminierung kommen: Beide kennen möglicherweise die Erfahrung, dass sie als nicht kompetent für eine Führungsaufgabe gelten. Die weisse, jüngere Frau womöglich, weil die Menschen ihre aktuelle Abhängigkeit von der Sozialhilfe mit «Faulheit» bewerten oder sie als zu jung und unerfahren bezeichnen; die ältere Frau mit Kopftuch, die erfolgreich ein Team im Private Banking leitet, womöglich, weil sie regelmässig mit dem Vorurteil konfrontiert wird, dass sie als Reinigungskraft angestellt sei.
Die Kenntnis um das jeweils Spezifische jeder Diskriminierungskonstellation ist wichtig, um zu verstehen, welche Rechte die betroffene Person hat. Denn das geltende Recht schützt die Menschen nicht gleich vor Diskriminierung. Setzen wir den Fall, dass eine Schwarze Frau bei der Beförderung übergangen wird, weil sie aufgrund von rassistischen und sexistischen Vorurteilen weniger kompetent als ihr weisser Kollege wahrgenommen wird: Falls sie sich dagegen zur Wehr setzt mit der Begründung, sie sei als Frau diskriminiert worden, hat sie immerhin die Möglichkeit, sich auf das Gleichstellungsgesetz von Frau und Mann zu berufen. Rückt sie dagegen die rassistische Diskriminierung in den Vordergrund, besteht einzig die Möglichkeit, sich auf den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz zu stützen (Übersicht zum zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz). In beiden Versionen jedoch kann sich das Unternehmen mit dem Argument wehren, dass sie proportional zu den Mitarbeitenden ohne Führungsaufgabe gleich viele Frauen wie Männer sowie gleich viele Schwarze Menschen bzw. Menschen mit Migrationsgeschichte wie stereotype Schweizer in Führungspositionen habe. Somit bleibt die Klägerin vor Gericht chancenlos, obwohl deutlich wird, dass Frauen mit Migrationsgeschichte und of Color deutlich untervertreten sind. Sie ist somit ein Opfer der sogenannten intersektionellen oder mehrdimensionalen Diskriminierung, die sich erst durch die Überlappung von Geschlecht und Schwarzsein manifestiert (Expertise zum Begriff der mehrdimensionalen Diskriminierung).
Ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz setzt dieser Ungerechtigkeit im rechtlichen Schutz vor gruppenübergreifenden Formen der Diskriminierung ein Ende, indem es jede Diskriminierung, ob ein- oder mehrdimensional, als gleichwertig unrechtmässig bezeichnet. Eine unmittelbare (indirekte) Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person wegen eines oder mehrerer der in Artikel 2 Absatz 1 ADG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung als eine Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde und die Ungleichbehandlung nicht nach Artikel 6 ADG gerechtfertigt ist. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt ebenfalls vor, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines oder mehrerer der in Artikel 2 Absatz 1 ADG genannten Gründe nur schon annimmt. Eine mittelbare (indirekte) Diskriminierung liegt vor, wenn scheinbar neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines oder mehrerer der in Artikel 2 Absatz 1 ADG genannten Gründe gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind nach Artikel 6 ADG gerechtfertigt (Übersicht zu den verschiedenen Formen der Diskriminierung).
Durch diese übergreifende Regelung im Antidiskriminierungsgesetz können auch neue Herausforderungen wie etwa algorithmische Diskriminierung klarer reguliert werden. Dabei handelt es sich um komplexe Diskriminierungen aufgrund mehrerer Diskriminierungsmerkmale, die durch den Einsatz von Systemen der Künstlichen Intelligenz und Algorithmen erfolgen. Das Gesetz sieht hierzu in Artikel 22 ADG eine eigenständige Regelung vor. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte predictive policing in der Verbrechensbekämpfung. Dabei errechnen Programme aufgrund grosser Datensätze automatisch, wie wahrscheinlich es sein könnte, dass innerhalb eines bestimmten Umkreises oder von einer bestimmten Person eine Straftat begangen wird. Dies kann dazu führen, dass verstärkt Gruppen ungerechtfertigt ins Visier der Polizeifahndungen geraten, weil sie von Armut betroffen sind, in sozioökonomisch prekären Quartieren wohnen, Migrationshintergrund haben oder männlich sind.