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Gleichstellung der Frau - Dossier

Internationale Rechtsgrundlagen für die Gleichstellung der Frau

30.06.2021

In den internationalen Rechtsquellen finden sich an vielen Orten Diskriminierungsverbote. Explizit mit den Rechten und dem Schutz von Frauen befassen sich das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979 (UNO-Frauenrechtskonvention), die Interamerikanische Konvention über die Verhinderung, Bestrafung und Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 1994 (Belem-Konvention), das Protokoll zur Afrikanischen Charta über die Rechte der Frauen in Afrika von 2003 und das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul-Konvention) von 2011. Die Belem-Konvention enthielt als erste regional verbindliche Konvention eine Schutzpflicht des Staates zur Verhinderung von Gewalt an Frauen.

Rechtsquellen der Vereinten Nationen

UNO-Pakt I und II

Beide UNO-Pakte enthalten akzessorische Diskriminierungsverbote aufgrund des Geschlechts (Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I; Art. 2 Abs. 1 UNO-Pakt II). Sie ergänzen damit lediglich die materiellen Bestimmungen des jeweiligen Abkommens und können nicht selbstständig gerügt werden. Demgegenüber enthält UNO-Pakt II in Artikel 26 ein selbstständiges Diskriminierungsverbot, wobei die Schweiz hierzu einen Vorbehalt angebracht hat. Danach ist «die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und ihr Anspruch ohne Diskriminierung auf gleichen Schutz durch das Gesetz» nur in Verbindung mit anderen in diesem Pakt enthaltenen Rechten gewährleistet. Artikel 3 der beiden UNO-Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten zur Gewährleistung der tatsächlichen Gleichstellung bei der Ausübung der in den UNO-Pakten enthaltenen Rechte.

UNO-Frauenrechtskonvention

Die UNO-Frauenrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten zur unverzüglichen Ergreifung aller geeigneten Mittel zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen. Die Schweiz hat sie im Jahr 1997 ratifiziert.

UNO-Frauenrechtsausschuss

Von grosser Bedeutung ist der UNO-Frauenrechtsausschuss, der mit der Überwachung der Frauenrechtskonvention (CEDAW) beauftragt ist und insbesondere mit seinen Allgemeinen Empfehlungen das Verständnis von geschlechtsspezifischer Diskriminierung kontinuierlich aktualisiert.

UNO-Behindertenrechtskonvention

Die UNO-Behindertenrechtskonvention nennt an mehreren Stellen die Notwendigkeit einer intersektionalen beziehungsweise einer Geschlechterperspektive. So werden die Vertragsstaaten unter anderem dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderung vor Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch einschliesslich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte zu schützen.

UNO-Menschenrechtsrat

In der Allgemeinen Empfehlung Nr. 28 des UNO-Menschenrechtsrats zum Artikel 3 des UNO-Pakts II aus dem Jahr 2000 werden die geschlechtsspezifischen Dimensionen anderer konventioneller Rechte und die damit für den Staat verbundenen Pflichten herausgearbeitet.

UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung CERD

In seiner im Jahr 2000 verabschiedeten Allgemeinen Empfehlung Nr. 25 stellt der UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung fest, dass Frauen sowohl aufgrund ihrer zugeschriebenen «Rassen-»* als auch ihrer Geschlechtszugehörigkeit Opfer von Gewalt werden und deklariert, dass der Ausschuss gegen rassistische Dskriminierung in seiner Arbeit systematisch die Geschlechterperspektive einbeziehen will.

UNO-Ausschuss gegen Folter CAT

Die Allgemeine Empfehlung Nr. 2 des UNO-Ausschusses gegen Folter aus dem Jahr 2007 thematisiert geschlechtsspezifische Aspekte der Pflicht zur Verhütung von Folter bezüglich staatlicher und nichtstaatlicher Gewalt.

UNO-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Der UNO-Sozialausschuss thematisiert in seiner Allgemeinen Empfehlung Nr. 16 aus dem Jahr 2005 das akzessorische Rechtsgleichheitsgebot des Artikel 3 UNO-Pakt I. Ausserdem werden Formen von nichtstaatlicher Gewalt, insbesondere die Gewalt in der Familie, angesprochen. Bereits in der Empfehlung Nr. 14 aus dem Jahr 2000 verwies der Ausschuss auf den Zusammenhang zwischen schädlichen sozialen und kulturellen Praktiken und anderen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt und dem Recht auf Gesundheit.

UNO-Kinderrechtsausschuss CRC

In Bezug auf die UNO-Kinderrechtskonvention verwies der Kinderrechtsausschuss in mehreren Empfehlungen auf die Problematik geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Mädchen. Insbesondere thematisieren die Allgemeinen Empfehlungen Nummer 6 und 9 aus den Jahren 2005 und 2006 den Schutz unbegleiteter minderjähriger Mädchen vor Gewalt, die sich ausserhalb ihres Herkunftslandes befinden. Zudem hat der Kinderrechtsausschuss in einer gemeinsamen Empfehlung mit dem Frauenrechtsausschuss im Bereich schädlicher Praktiken (z.B. Genitalverstümmelung, Zwangsheirat) den Vertragsstaaten Vorgaben zu Monitoring und Datenerhebung, Gesetzgebung, Prävention und Opferhilfe gemacht.

Kommission für die Stellung der Frau

Das Mandat der Frauenkommission umfasst das Erarbeiten von Empfehlungen und Berichten zuhanden des Wirtschafts- und Sozialrates mit dem Ziel, die Rechtsstellung der Frau im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich zu verbessern.

Internationale Arbeits- und Sozialstandards der ILO

Mehrere ILO-Übereinkommen widmen sich ebenfalls der Thematik:

Europarat

Europäische Menschenrechtskonvention EMRK

Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält in Artikel 14 ein akzessorisches Diskriminierungsverbot. Die in der Konvention garantierten Rechte müssen allen Menschen frei von Diskriminierung – auch aufgrund des Geschlechts – gewährleistet werden. Artikel 5 des Zusatzprotokolls Nr. 7 garantiert darüber hinaus explizit die Gleichberechtigung der Ehegatt*innen, wobei die Schweiz hierzu einen Vorbehalt angebracht hat. Die selbstständige Gleichheitsgarantie des 12. Zusatzprotokolls hat die Schweiz nicht ratifiziert.

Ministerkomitee des Europarates

Das Ministerkomitee des Europarates hat zahlreiche mit der Gleichstellung verbundene Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten erarbeitet.

Europäische Sozialcharta (revidiert)

Die Europäische Sozialcharta wurde 1996 überarbeitet und sieht die Gleichstellung der Geschlechter in Bildung, Beruf und Familie sowie positive Massnahmen zur Gewährleistung von Chancengleichheit und gleichem Entgelt vor. Sie enthält ein akzessorisches Diskriminierungsverbot.

Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen

Auf europäischer Ebene ist die Istanbul-Konvention das erste juristisch verpflichtende Instrument und der ambitionierteste Vertrag zum Schutz von Frauen und Mädchen gegen jede Form der Gewalt, namentlich auch häusliche Gewalt. Die Säulen der Konvention sind die Prävention von Gewalt, der Schutz der Opfer, die Verfolgung der Täter sowie die Notwendigkeit einer integrierten Politik auf nationaler Ebene.

Konvention gegen Menschenhandel

Die Konvention des Europarates gegen Menschenhandel hat zum Ziel, den Menschenhandel und all seine Formen mit Frauen, Männern und Kindern zu verhindern und zu bekämpfen. Sie enthält in Artikel 3 ein Diskriminierungsverbot und verpflichtet die Vertragsparteien, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und bei der Umsetzung der Konvention das Gender-Mainstreaming anzuwenden. 

Europäische Union

Europäische Grundrechtscharta

Die Europäische Grundrechtscharta enthält in Artikel 23 eine spezifische Garantie der Geschlechtergleichstellung und sieht insbesondere vor, dass temporäre Sondermassnahmen für das unterrepräsentierte Geschlecht dem Grundsatz der Gleichheit nicht entgegenstehen.

*Menschenrassen existieren nicht. Das Konzept von angeblichen, naturgegebenen Menschenrassen wurde sozial konstruiert und ist Kern der rassistischen Ideologie und wissenschaftlich unhaltbar. Der Begriff «Rasse» wird in Anführungszeichen geschrieben, um die soziale Konstruktion des Begriffs hervorzuheben und eine Analyse struktureller Ungleichheit und Diskriminierung zu ermöglichen.