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Basiswissen Asylrecht - Dossier

Der Flüchtlingsbegriff im Schweizer Asylrecht

19.09.2025

Das Schweizerische Asylgesetz (AsylG) lehnt sich an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) an. Nach Art. 3 Abs. 1 AsylG sind «Flüchtlinge» Personen, die wegen ihrer «Rasse», Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.

Das Asylgesetz und die schweizerische Rechtspraxis spricht in Art. 3 Abs. 1 AsylG anstelle von «Verfolgung» - wie in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgeführt - von «begründeter Furcht vor ernsthaften Nachteilen». Dabei sieht Art. 3 Abs. 2 AsylG beispielhaft solche Nachteile vor: «Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.»

Ein begründete Furcht vor ernsthaften Nachteilen - und somit eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention - liegt nach schweizerischer Praxis vor, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Ernsthafte Nachteile
  • Gezieltheit der Verfolgung einer Person
  • Fehlender Schutz durch den Heimat- oder Herkunftsstaat
  • Vorliegen eines anerkannten Verfolgungsmotives
  • Begründetheit der Furcht vor Verfolgung

Zum Beispiel: Ein*e Syrer*in flieht, weil das Dorf, in dem die Person wohnt, immer wieder das Ziel von Bombenanschlägen ist. Die Angriffe auf das Dorf erfolgen, weil die Angreifenden allen dort lebenden Anwohnenden eine politische Meinung unterstellen. Eine Person dieses Dorfes gilt gemäss der Genfer Flüchtlingskonvention - nach ihrer Ausreise aus Syrien - als «Flüchtling», weil die Angreifenden der Person eine politische Meinung unterstellen und sie deshalb verfolgen. Im Schweizerischen Recht gilt dieselbe Person - nach ihrer Ausreise aus Syrien - nicht als «Flüchtling», weil die Angreifenden alle Anwohnenden des Dorfes und nicht sie persönlich treffen wollten.

Die Mehrheit der geflüchteten Syrer*innen werden daher in der Schweiz nicht als «Flüchtlinge» anerkannt, weil Syrer*innen nach schweizerischer Rechtspraxis oft nicht individuell verfolgt werden. Der grösste Teil von ihnen wird aufgrund der in Syrien herrschenden allgemeinen Gewalt vorläufig aufgenommen (vgl. Abschnitt zu F-Ausweis).

«Anerkannten Flüchtlingen» kommen alle Rechte aus der Flüchtlingskonvention zu. Befindet sich eine Person im Asylverfahren, gilt sie immer potentiell als «Flüchtling». Ein Vertragsstaat darf also keine Person überstellen, bevor das Asylverfahren abgeschlossen wurde, ausser es ist ein anderer Staat zuständig, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. unseren Artikel Dublin-Verfahren). Jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, Personen, die an seiner Grenze um Asyl nachfragen, Einlass und Zugang zum Asylverfahren zu gewähren. Als Asylgesuch gilt jede Form von Äusserung darüber, dass die Person um Schutz vor Verfolgung ersucht.

Menschen, die geflohen sind, müssen ihre Asylgründe glaubhaft machen. Beweisen müssen sie ihre individuelle Verfolgung nicht, weil es aufgrund der Flucht meist nicht möglich ist, sich (alle) Dokumente zu beschaffen. Die sogenannte «Glaubwürdigkeitsprüfung» hat daher im Asylverfahren eine zentrale Stellung (vgl. Abschnitt zu Glaubhaftmachen).

Weiterführende Informationen: