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Workshop: Strategische Prozessführung in Richtung EGMR zum Schutz des Lebens im Freiheitsentzug

20.06.2022

Der Fall Raphael K. gegen Schweiz

13. September 2022 von 12.15 bis 13.45 Uhr (online via Zoom)
Referenten: Philip Stolkin, Rechtsanwalt / David Mühlemann, Jurist 
Moderation: Stephan Bernard, Rechtsanwalt

Raphael K. gegen die Schweiz: Raphael K. erhängte sich im August 2019 in der forensischen Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Zuvor befand er sich während sieben Monaten in einem Regionalgefängnis 23 Stunden am Tag eingesperrt in seiner Zelle – trotz einer aktenkundig diagnostizierten paranoiden Schizophrenie. Aktuell läuft eine innerstaatliche Strafuntersuchung. Seine Hinterbliebenen als Kläger verlangen, dass die menschenunwürdigen Haftbedingungen im Regionalgefängnis bei der Untersuchung der «Todesursache» im Sinne des Rechts auf Leben nach Art. 2 EMRK mitberücksichtigt werden. Die bisherige innerstaatliche Praxis, Todesfälle im Rahmen von Strafverfahren oberflächlich zu untersuchen, dürfte vor den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kaum standhalten; der Staat steht durch die Inhaftierung in einem sogenannten Sonderstatusverhältnis zum Insassen, woraus wiederum besondere Schutzpflichten der Behörden erwachsen. Kommt es zu einem Todesfall in Haft, so hat der betroffene Staat deshalb umgehend eine vertiefte Abklärung einzuleiten.

Die strukturellen Rechtsschutzmängel in der Schweiz in solchen Konstellationen, aber auch ganz grundsätzlich im Straf- und Massnahmenvollzug können im Fall Raphael K. exemplarisch aufgezeigt werden. Der Fall wurde daher von Anfang als strategischer Prozess in Zusammenarbeit der Hinterbliebenen mit RA Philip Stolkin und der Fachstelle Freiheitsentzug aufgegleist. Bereits im laufenden innerstaatlichen Verfahren wird konsequent berücksichtigt, den Fall nötigenfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu tragen. Der Workshop erörtert daher zum einen die argumentativen innerstaatlichen Spielräume der EMRK bevor ein Fall in Strassburg anhängig gemacht wird. Zum anderen wird weitergehend diskutiert, welche rechtspolitischen Gesichtspunkte im Fall K. und ganz grundsätzlich bei strategischen Fällen, insbesondere im Kontext des Freiheitsentzugs, von Bedeutung sein können.

RA Philip Stolkin wird im Workshop über seine Erfahrungen als Rechtsanwalt mit besonderem Fokus auf die EMRK berichten. Philip Stolkin hat in Zürich und Berlin Rechtswissenschaften studiert (lic.iur, LLM). Seit 2011 ist er auch Fachanwalt SAV für Haftpflicht und Versicherungsrecht. Er arbeitet seit dem Jahr 1998 als selbstständiger Rechtsanwalt, wobei er sich auf Prozessführung vor allem im Bereich des Zivilprozess- und Verwaltungsrechts spezialisiert hat. Dabei hat er schon mehrfach vor dem EGMR erfolgreiche Beschwerden geführt.

Mlaw David Mühlemann wird im Workshop über seine Erfahrung als Leiter der Fachstelle Freiheitsentzug sprechen, wo er von 2017-2022 an der Schnittstelle zwischen Betroffenen, Rechtsanwält*innen, Medien und Behörden gearbeitet hat. Mittlerweile forscht er im Rahmen eines Dissertationsprojekts zum Strafvollzug. David Mühlemann wird erläutern, welche strategischen Elemente der Fall von Raphael K. aufweist und was einen strategischen Prozess aus seiner Sicht auszeichnet.

Moderation: RA Stephan Bernard studierte in Bern und Tübingen Rechtswissenschaften (lic.iur., LL.M.) und erwarb sodann das Zürcher Rechtsanwaltspatent. Er ist seit 2004 selbständiger Rechtsanwalt und Mediator und bildete sich unter anderem zum Fachanwalt Strafrecht weiter. Nebenberuflich publiziert er, engagiert sich in der juristischen Weiterbildung, der öffentlichen Meinungsbildung sowie in NGOs, so unter anderem als juristischer Berater der Anlaufstelle für strategische Prozessführung von humanrights.ch.

kontakt

Marianne Aeberhard
Leiterin Projekt Zugang zum Recht / Geschäftsleiterin

marianne.aeberhard@humanrights.ch
031 302 01 61
Bürozeiten: Mo/Di/Do/Fr

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