Der Rückblick auf die Herbstsession vom 12. - 30. September 2011 fokussiert aus menschenrechtlicher Perspektive die Entwicklungen in den Eidgenössischen Räten.
Pluspunkte für die Menschenrechte
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Parlament verabschiedet neues Namensrecht
Artikel auf humanrights.ch vom 27. Oktober 2011 - Rechtliche Auflagen für Sicherheitsfirmen, die in Krisengebieten tätig sind
Artikel auf humanrights.ch vom 17. Oktober 2011 - Ständerat will den Schutz von Kindern im Härtefallverfahren erhöhen
Artikel auf humanrights.ch vom 13. September 2011
Rückschläge für die Menschenrechte
- Einführung einer Charta bei Einbürgerungen (10.3067 – Motion Fraktion CVP/EVP/glp)
Mit 97 zu 89 Stimmen hat der Nationalrat diskussionslos die Motion der CVP/EVP/glp-Fraktion, welche die Einführung einer Charta bei Einbürgerungen verlangt, angenommen.
Die Motion beauftragt den Bundesrat, im Bürgerrechtsgesetz eine Grundlage zu schaffen, damit einbürgerungswillige Personen vor der Einbürgerung eine Charta unterzeichnen. Damit soll die einbürgerungswillige Person bekunden, dass sie die grundlegenden Werte unserer Verfassung wie Rechtsstaat, Demokratie oder Grundrechte respektiert. Bei Nichteinhaltung der Charta oder bei einem Verstoss kann die Einbürgerung nochmals überprüft werden. Mit dem Vorstoss soll erreicht werden, dass eine Einbürgerung nur nach sorgfältiger Prüfung einer erfolgreichen Integration erfolgt. Neben Sprachkenntnisse solle die einzubürgernde Person auch die grundlegenden Werte des Zusammenlebens in der Schweiz respektieren, so die Begründung. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion empfohlen, da die Konsequenzen der Nichteinhaltung der Grundsätze der Charta nach erfolgter Einbürgerung rechtliche Bedenken aufwerfe.
Siehe zu den allgemeinen Verschärfungstendenzen im Bürgerrecht auch:
Verschärfung des Bürgerrechts im Kanton Zürich
Artikel auf humanrights.ch vom 19. September 2011
Verpasste Chancen
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Gleiche Chancen für alle Familien (11.2012 - Petition Verein Familienchancen)
Die Petition, welche mit 19'380 Stimmen 2010 eingereicht wurde, verlangte die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare mit Ehepaaren in Bezug auf Elternrechte und Adoption, die rechtliche Gleichstellung von Kindern, die in eingetragenen Partnerschaften aufwachsen, mit Kindern, die in Ehegemeinschaften aufwachsen sowie eine Ausgestaltung des Adoptionsrechtes, welche auf Interesse und Wohl des Kindes abstellt, und nicht auf den Zivilstand und die sexuelle Orientierung der adoptionswilligen Personen und Paare.
Die jetzige Rechtslage lässt die Adoption für alleinstehende Personen - heterosexuell wie auch gleichgeschlechtlich lebende - zu. Demgegenüber ist die Adoption (auch die Adoption von Stiefkindern) bei gleichgeschlechtlichen Paaren, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, untersagt (Art. 28 Partnerschaftsgesetz). Mit 97 gegen 83 Stimmen bei 8 Enthaltungen entschied der Nationarat, der Petition keine Folge zu geben.
Zu einem anderen Ergebnis ist die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates an ihrer Sitzung vom 15. November 2011 gekommen: Sie hat beschlossen der Petition Folge zu geben. Es bestehe Handlungsbedarf, da zahlreiche sogenannte Regenbogenfamilien mit einem geregelten und stabilen Familiensystem eine gesellschaftliche Realität seien und eine Adoption für das Kindeswohl die beste Lösung sein könne. Eine Adoption durch den Partner bzw. die Partnerin ermögliche die Gleichstellung von Kindern vor allem dann, wenn der andere Elternteil nicht (mehr) vorhanden, dh. verstorben oder verschollen ist oder sich der Verantwortung gegenüber seinem Kind entzieht. Die Kommission hat nun eine ensprechende Motion eingereicht (11.4046 – Motion. Adoptionsrecht. Gleiche Chancen für alle Familien). Hängig sind zudem noch zwei Vorstösse mit gleicher Zielrichtung: Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare (10.3436 – Motion Mario Fehr) und Aufhebung des Adoptionsverbotes für Personen in eingetragener Partnerschaft (10.3444 – Motion Katharina Prelicz-Huber).
Aufgefallen
- Bundesgesetz über die Forschung am Menschen (Humanforschungsgesetz, HFG) vom 30. September 2011
Mit dem Entscheid des Ständerates vom 30. September 2011 wurde gestützt auf den Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen (118b Abs. 1 BV) das Bundesgesetz über die Forschung am Menschen verabschiedet. Hiermit soll der Schutz der Würde und Persönlichkeit des Menschen in der Humanforschung gewährt und dessen Spannungsverhältnis zur Forschungsfreiheit geregelt werden. Das neue Gesetz beinhaltet die Mindeststandards des Europäischen Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin (Biomedizin-Konvention), welches von der Schweiz 2008 ratifiziert wurde. Somit wird die Konvention, soweit es die Forschung am Menschen betrifft, auf Landesebene umgesetzt. Das entsprechende Zusatzprotokoll (Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin betreffend biomedizinische Forschung) von 2005 hat die Schweiz jedoch noch nicht unterzeichnet. - Genitalverstümmelung: Parlament schafft explizites Verbot
Artikel auf humanrights.ch vom 22. September 2011 -
Übereinkommen über Streumunition. Kriegsmaterialgesetz. Änderung (11.036 – Geschäft des Bundesrates)
Der Ständerat hat als Erstrat in der Herbstsession 2011 dem Beitritt zum Abkommen gegen Streubomben einstimmig mit 27 zu 0 Stimmen zugestimmt. Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) hingegen hat am 18. Oktober 2011 die Ablehnung des Abkommens beschlossen. Die Mehrheit der nationalrätlichen Kommission fand, das Abkommen schwäche die Schweiz übermässig in ihrer Verteidigungsfähigkeit. Es wird sich zeigen, ob der Nationalrat seiner Kommission folgen wird.
Nationalratskommission gegen Beitritt zum Abkommen gegen Streubomben
Artikel auf humanrights.ch vom 20. Oktober 2011
Hinweis
- Kinderrechte im Parlament – Rückschau auf die Herbstsession 2011
In: Newsletter 5/2011 des Netzwerks Kinderrechte Schweiz
16.11.2011