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Basiswissen Asylrecht - Dossier

Geschlechtsspezifische Fluchtgründe

19.09.2025

Geschlechtsspezifische Fluchtgründe liegen dann vor, wenn jemand wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Geschlecht verfolgt wird. Geschlechtsspezifische Verfolgung wird in der Praxis meistens mit frauenspezifischer Ver-folgung gleichgesetzt. So erwähnt das Asylgesetz auch «nur» frauenspezifische Fluchtgründe (Art. 3 AsylG). Was darunter erfasst ist, wird im Gesetz nicht konkretisiert. Bis heute anerkennt das SEM in Verbindung mit dem Geschlecht die folgenden sieben spezifischen Gruppen:

  • Opfer weiblicher Genitalverstümmelung (FGM: Femal Genital Mutilation)
  • Opfer häuslicher Gewalt
  • Opfer von Zwangsheirat
  • Opfer von diskriminierender Gesetzgebung
  • Opfer einer Ein-Kind-Politik/Zwangsabtreibung/Zwangssterilisation
  • Opfer von Ehrenmord
  • Opfer aufgrund der sexuellen Orientierung/Geschlechtsidentität (SOGI: «sexual orientation-gender identity»)

Dabei handelt es sich um Verfolgungshandlungen, die von Privaten ausgehen. Vor dem Jahre 2006 war es nach Praxis der Schweizer Asylbehörden nicht möglich, diese Gründe als Asylgründe anzusehen, da die Bedrohung oder Verfolgung immer vom Staat ausgehen musste. Im Jahre 2006 änderte die damalige Eidgenössische Asylrekurskommission (heutige Abteilungen IV, V und VI des Bundesverwaltungsgerichts) ihre Rechtsprechung. Mit der neuen Schutzpflicht-Doktrin wurde die Pflicht des Staates anerkannt, Private vor Ver-folgung durch Private zu schützen. Erst so konnte die Verfolgung durch Private als Asylgrund berücksichtigt werden.
Für eine Ausdehnung der geschlechtsspezifischen Fluchtgründe auf spezifische Problematiken von Trans-Menschen und intergeschlechtliche Personen fehlt bislang eine gefestigte Praxis.

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