19.09.2025
Das Recht auf Familie ist ein Menschenrecht, welches durch verschiedene internationale und regionale Menschenrechtsverträge geschützt wird (Schutz der Familie: Rechtsquellen). Dieses Recht gilt jedoch nicht absolut. Hat eine Person kein oder nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht in einem Staat, darf dieser Staat das Recht auf Familie einschränken, sofern dies verhältnismässig ist. Diese Einschränkungen sind im Asylverfahren einschneidend.
Befindet sich eine Person im Asylverfahren, hat sie kein Recht darauf, ihre Familie nachkommen zu lassen. Solche Ansprüche ergeben sich unter Umstände erst im Anschluss des Asylverfahrens und hängt vom Asylentscheid ab. Die Dublin-III-Verordnung, welche die Zuständigkeit für das Asylverfahren regelt (Dublin-Verfahren), schreibt zumindest vor, dass die Asylgesuche der Mitglieder einer Familie (auf Antrag hin) im gleichen Staat und im gleichen Verfahren behandelt werden sollen (Art. 9, 10 u. 11 Dublin-III-VO).
In den Verhandlungen zur Dublin-III-Verordnung wollte man dem Menschenrecht auf Familie mehr Rechnung tragen; beispielsweise sollen auf der Flucht getrennte Familien wieder zusammengeführt werden und es soll vermieden werden, dass Minderjährige sich alleine in einem anderen Land befinden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Mitglieder der Familie diesen Wunsch schriftlich kundtun. So wurde die Möglichkeit geschaffen, dass sich eine Person allfälligen familieninternen Gewalttätigkeiten entziehen kann.
Anerkannte «Flüchtlinge» mit Asyl dürfen ihre Familienmitglieder nach Erteilung des Asyls nachziehen. Als Familie gilt die sogenannte «Kernfamilie», also Ehegatten und Kinder unter 18 Jahren. Die Familienmitglieder werden in die Flüchtlingseigenschaft eingeschlossen und erhalten in der Regel in der Schweiz Asyl (Familienasyl nach Art. 51 AsylG). In den meisten Fällen müssen Flüchtlinge mittels DNA-Tests ihre Verwandtschaft prüfen lassen, bevor ihre Familien nachziehen können.
Vorläufig aufgenommene Personen haben keinen Anspruch auf Familiennachzug. Nach Art. 85c Abs. 1 AIG können Ehegattinnen und Ehegatten sowie ledige Kinder unter 18 Jahren von vorläufig aufgenommenen Personen frühestens drei Jahre nach Anordnung der vorläufigen Aufnahme nachgezogen werden. Diese gesetzliche Wartefrist von drei Jahren darf gemäss jüngster Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil des Bundesverwaltungsgericht, F-2739/2022 vom 24. November 2022) nicht strikt und automatisch angewendet werden. Weiter wird vorausgesetzt, dass die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist und sie sich in der am Wohnort gesprochenen Landessprache verständigen können sowie die nachziehende Person keine bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen bezieht oder wegen des Nachzugs beziehen könnte.
Abgewiesene Asylsuchende dürfen ihre Familienmitglieder nicht nachziehen.
Weiterführende Informationen:
- Empfehlungen des Menschenrechtskommissars zur Familienzusammenführung
humanrights.ch vom 30.01.2018 - Kritik am restriktiven Umgang mit dem Familiennachzug
humanrights.ch vom 17.05.2017 - Familiennachzug von vorläufig aufgenommenen Personen und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen (Familienvereinigung)
Auszug aus dem Handbuch Asyl und Rückkehr des SEM (pdf, 13 S.) - Family Reunification for Refugees in Switzerland, Legal Framework and Strategic Considerations
Studie des UNHCR und CSDM (pdf, 52 S.) - Familienleben - (k)ein Menschenrecht - Hürden für den Nachzug und den Verbleib in der Schweiz
Fachbericht 2017 der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht SBAA (pdf, 40 S.) - CARONI MARTINA/SCHEIBER NICOLE/PREISIG CHRISTA/PLOZZA MONIKA, Migrationsrecht, 5. Aufl., Bern 2022
- Studie zum Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Rechtsverbeiständung im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren
UNHCR, Raffaella Massara - Artikel F3 Familienasyl / asylrechtlicher Familiennachzug
SEM, Handbuch Asyl und Rückkehr - Familiennachzug
SRK