18.08.2013
Im Folgenden finden sich einige Eckpunkte für das Verständnis des im internationalen Recht und in der Bundesverfassung verankerten Menschenrechts auf Bildung. Die Angaben dienen einer Einführung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundgehalt
Das Recht auf Bildung umfasst den Zugang zu und die Pflicht zum Besuch einer unentgeltlichen Grundschulbildung für alle, das Recht auf freien und gleichen Zugang zu weiteren vorhandenen Bildungseinrichtungen. Zudem garantiert es das Recht der Erziehungsberechtigten, ihre Kinder in eine Schule ihrer Wahl zu schicken, sofern diese die staatlichen Minimalstandards erfüllt. Ausserdem beinhaltet das Recht auf Bildung ein Recht auf Zugang zu Menschenrechtsbildung.
Rechtsquellen
Das Recht auf Bildung und das Recht auf Menschenrechtsbildung werden von zahlreichen internationalen Menschenrechtsverträgen, ersteres auch auf nationaler Ebene, garantiert.
Pflichten des Staates
Individuen oder Gruppen sind die Rechtsträger/innen von Menschenrechten. Demgegenüber fallen den Staaten drei Pflichten zu: Die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht.
Achtungspflichten
Der Staat und seine Organe haben nicht gerechtfertigte Eingriffe in das Recht auf Bildung zu unterlassen, wie beispielsweise:
- die Privilegierung des Zugangs zu bestimmten Bildungseinrichtungen für bestimmte soziale Gruppen
- der Eingriff in die freie Schulwahl der Eltern für ihre minderjährigen Kinder
Schutzpflichten
Der Staat und seine Organe müssen Massnahmen gegen die Verletzung des Rechts auf Bildung durch nicht-staatliche Dritte (Privatpersonen, Unternehmen etc.) ergreifen. Wie beispielsweise:
- den gesetzlichen Schutz der unentgeltlichen Grundschulbildung für alle
- die Durchsetzung der Grundschulpflicht gegenüber den Erziehungsberechtigten
Gewährleistungspflichten
Der Staat und seine Organe müssen institutionelle und materielle Voraussetzungen schaffen für die volle Realisierung des Rechts auf Bildung. Dazu gehören beispielsweise:
- die Wahrung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den vorhandenen Bildungseinrichtungen
- das Zurverfügungstellen von unentgeltlichem Grundschulunterricht
- die kontinuierliche Einführung der Unentgeltlichkeit verschiedener Formen höherer Bildungsstufen, inklusive Hochschulbildung
- ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen gemäss der UNO-Behindertenrechtskonvention
- ein Stipendiensystem
- die Gewährleistung wirksamer Beschwerdemöglichkeiten gegen jede Verletzung dieses Rechts
Kerngehalt
Jeder Eingriff in den Kerngehalt eines Menschenrechts ist verboten. Beim Recht auf Bildung bildet der Anspruch auf kostenlosen Grundschulunterricht den Kernanspruch.
Legitime Einschränkungen
Das Recht auf Bildung darf nur eingeschränkt werden, wenn die allgemeinen Bedingungen für Eingriffe in Grund- und Menschenrechte erfüllt sind. Dafür muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden und die Einschränkung notwendig und verhältnismässig sein, um die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Sittlichkeit sicherzustellen, oder die Grund- und Menschenrechte anderer zu wahren.
Beispiele für legitime Einschränkungen
- die kapazitätsbezogene Begrenzung der Zulassung zu bestimmten Studienfächern an einer Hochschule
- die Verweigerung des Zugangs zu gewissen weiterführenden Ausbildungsgängen für Personen ohne entsprechende Ausbildung
Kontroverse Themen
- Die Regelschule im Zentrum der Integration ausländischer Kinder
Dürfen ausländische Kinder mit mangelnder Vorbildung in segregierten Klassen unterrichtet werden? - Unbegleitete minderjährige Asylsuchende in der Schweiz
Wie wird der Zugang für minderjährige Asylsuchende in der Schweiz geregelt? - Bedeutung des Behindertengleichstellungsrechts in der Berufsbildung
Wie weit kann/darf/muss eine Bildungsinstitution die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen?
Ausgewählte Rechtsprechung und Empfehlungen
- Kinderrechte: Bildung
Informationsblatt zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (pdf, 5 S.) - Europäischer Gerichtshof: Kruzifixe in Klassenzimmer öffentlicher Schulen sind zulässig
Lautsi und andere gegen Italien, Beschwerde-Nr.30814/06, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 18. März 2011
Online-Inhalte zur Vertiefung
- Menschenrechte in Gebärdensprache
Videos in Gebärdensprache auf humanrights.ch
sowie - Das Recht auf Bildung
Allgemeine Bemerkung Nr. 13 des UNO-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, 18. Dezember 1999 (pdf, 16 S.) - Aktionspläne für die Grundschulbildung
Allgemeine Bemerkung Nr. 11 des UNO-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, 10. Mai 1999 (pdf, 3 S.) - Das Menschenrecht auf Bildung und der Schutz vor Diskriminierung. Exklusionsrisiken und Inklusionschancen
Studie von Mona Motakef im Auftrag des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Mai 2006 (pdf, 52 S.) - Justiciability of the right to education
Bericht des UNO-Sonderberichterstatters für das Recht auf Bildung, A/HRC/23/35, 10. Mai 2013 (Englisch, pdf, 24 S.) - Das Menschenrecht auf Bildung
Bundeszentrale für politische Bildung, September 2013