27.01.2020
Im Folgenden finden sich einige Eckpunkte für das Verständnis des im internationalen Recht und in der Bundesverfassung verankerten Menschenrechts auf Vereinigungsfreiheit. Die Angaben dienen einer Einführung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundgehalt
Die Vereinigungsfreiheit schützt die Teilnahme des Individuums am politischen Leben. Dabei wird unterschieden zwischen der positiven und der negativen Versammlungsfreiheit.
Positive Vereinigungsfreiheit
Die positive Vereinigungsfreiheit vermittelt den Anspruch privatrechtliche Vereinigungen gründen zu dürfen, ihnen beizutreten und in solchen Vereinigungen mitzuwirken.
Negative Vereinigungsfreiheit
Geschützt wird das Recht, solchen Vereinigungen nicht beitreten zu müssen, aus ihnen austreten zu können oder ihnen grundsätzlich fern zu bleiben.
Rechtsquellen
Die Vereinigungsfreiheit wird sowohl von zahlreichen internationalen Menschenrechtsverträgen, als auch auf nationaler Ebene garantiert.
Pflichten des Staates
Individuen oder Gruppen sind die Rechtsträger von Menschenrechten. Demgegenüber fallen den Staaten drei Pflichten zu: Die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht.
Achtungspflichten
Der Staat und seine Organe haben nicht gerechtfertigte Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit zu unterlassen. So beispielsweise:
- ungerechtfertigte Verbote von Vereinen
- ungerechtfertigte Parteiverbote
Schutzpflichten
Der Staat und seine Organe müssen Massnahmen gegen Verletzungen der Vereinigungsfreiheit durch nicht-staatliche Dritte (Privatpersonen, Unternehmen etc.) ergreifen. So beispielsweise:
- Rechtsschutz vor Zwangsmitgliedschaften in Vereinen oder Parteien
Gewährleistungspflichten
Der Staat und seine Organe müssen institutionelle und materielle Voraussetzungen schaffen, um die volle Realisierung dieses Rechts zu gewährleisten. Dazu zählt beispielsweise:
- wirksame Beschwerdemöglichkeiten bei Verletzung der Vereinigungsfreiheit durch den Staat oder Private
- rechtliche Grundlagen für eine möglichst freie Gründung entsprechender Organisationen
Legitime Einschränkungen
Die Versammlungsfreiheit darf nur eingeschränkt werden, wenn die allgemeinen Bedingungen für Eingriffe in Grund- und Menschenrechte erfüllt sind. Dafür muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden und die Einschränkung notwendig und verhältnismässig sein, um die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Sittlichkeit sicherzustellen, oder die Grund- und Menschenrechte anderer zu wahren. Beispiele für legitime Einschränkungen:
- Verbot von rassistischen oder terroristischen Organisationen
- Verbot einer Partei, die sich für unterschiedliche Rechtssysteme aufgrund der Religionszugehörigkeit des Individuums ausspricht
Kontroverse Themen
- Zu schwach für ein Parteiverbot
Wie weit geht der Ermessensspielraum eines Staates bei der Beurteilung des Verbotes einer politischen Partei?
NZZ, 17. Januar 2017
Ausgewählte Rechtsprechung und Empfehlungen
- Auflösung einer Partei und Recht auf Vereinigungsfreiheit
Refah Partisi u.a. gegen die Türkei, Beschwerde Nr. 41340/98, 41342/98, 41343/98 und 41344/98, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 3. Februar 2003
Urteilsanalyse des Österreichischen Instituts für Menschenrechte (pdf, 3 S.) - Verbot einer Partei nicht zulässig, nur weil sie die bestehende Ordnung bekämpft
TBKP u.a. gegen die Türkei, Beschwerde Nr. 133/1996/752/951, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 30. Januar 1998
Urteilsanalyse des Österreichischen Instituts für Menschenrechte (pdf, 2 S.) - Auflösung der illegalen Besetzung zweier Liegenschaften war unverhältnismässig
Associations Rhino und andere gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 48848/07, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 20. November 2011
Inhaltlich verwandte Menschenrechte
- Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit
- Gewerkschaftsfreiheit
- Politische Rechte
- Versammlungsfreiheit