27.01.2020
Im Folgenden finden sich einige Eckpunkte für das Verständnis des im internationalen Recht und in der Bundesverfassung verankerten Menschenrechts auf Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit. Die Angaben dienen einer Einführung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundgehalt
Die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit beinhaltet das Recht auf freie Bewegung und freie Wohnsitznahme innerhalb des Staatsgebiets. Sie umfasst auch das Recht, das eigene Land zu verlassen und in das eigene Land zurückzukehren.
Rechtsquellen
Die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit wird sowohl von zahlreichen internationalen Menschenrechtsverträgen, als auch auf nationaler Ebene garantiert.
Pflichten des Staates
Individuen oder Gruppen sind die Rechtsträger/innen von Menschenrechten. Demgegenüber fallen den Staaten drei Pflichten zu: Die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht.
Achtungspflichten
Der Staat und seine Organe haben nicht gerechtfertigte Eingriffe in die kulturellen Rechte zu unterlassen. So beispielsweise:
- die Vertreibung von Menschen aus einem Teil des Staatsgebiets
- die Beschränkung der Reisefreiheit aus politischen Gründen
- die zwangsweise Eingrenzung von Minderheiten in bestimmte Lebensräume
- die Verbannung Staatsangehöriger ins Ausland
Schutzpflichten
Der Staat und seine Organe müssen Massnahmen gegen Verletzungen der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit durch nicht-staatliche Dritte (Privatpersonen, Unternehmen etc.) ergreifen. So beispielsweise:
- der Schutz vor Umsiedlung oder Vertreibung durch Private
Gewährleistungspflichten
Der Staat und seine Organe müssen institutionelle und materielle Voraussetzungen schaffen, um die volle Realisierung dieses Rechts zu gewährleisten. Dazu zählt beispielsweise:
- das Ausstellen eines Reisepasses für Staatsbürger/innen
- das Ermöglichen der Einreise von eigenen Staatsangehörigen
- wirksame Beschwerdemöglichkeit gegen jede Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit gewährleisten.
Kerngehalt
Jeder Eingriff in den Kernbereich eines Menschenrechts ist verboten. Einen klaren Eingriff in den Kerngehalt der Bewegungsfreiheit stellt beispielsweise eine Verletzung der Mindestgarantien gemäss Art. 31 BV im Rahmen eines Freiheitsentzuges dar. Der Kerngehalt der Niederlassungsfreiheit würde unter anderem durch die Zwangsexilierung von SchweizerInnen verletzt.
Legitime Einschränkungen
Die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit darf nur eingeschränkt werden, wenn die allgemeinen Bedingungen für Eingriffe in Grund- und Menschenrechte erfüllt sind. Dafür muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden und die Einschränkung notwendig und verhältnismässig sein, um die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Sittlichkeit sicherzustellen, oder die Grund- und Menschenrechte anderer zu wahren.
Beispiele für legitime Einschränkungen:
- Zwangsevakuierung aus einem Katastrophengebiet
- Errichtung von militärischen Sperrzonen
- Errichtung von Sperrzonen aufgrund von Epidemien
Kontroverse Themen
- Ilisu-Staudamm: Schweiz steigt definitiv aus
Unter welchen Voraussetzungen sind Umsiedlungen aufgrund von Infrastrukturprojekten (z.B. Staudämme) legal? - Rayonverbote für Asylsuchende in der Gemeinde Bremgarten (AG) – eine Grundrechtsverletzung?
Ist eine pauschale Einschränkung der Bewegungsfreiheit für Asylsuchende rechtmässig?
Ausgewählte Rechtsprechung und Empfehlungen
- Pass-Konfiszierung
El Dernawi gegen Libyen, Beschwerde-Nr. 1143/2002, Entscheid des UNO-Menschenrechtsausschusses, 15. August 2002 - Verletzung der Bewegungsfreiheit durch «Listing» im Rahmen der internationalen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung
Sayadi et al. gegen Belgien, Beschwerde-Nr. 1472/2006, Entscheid des des UNO-Menschenrechtsausschusses, 22. Oktober 2008
Online-Texte zur Vertiefung
- Bewegungsfreiheit (Freedom of Movement)
Allgemeine Bemerkungen Nr. 27 des UNO-Menschenrechtsausschusses, 2. November 1999 (Englisch, pdf)