18.01.2011
Ohne Menschenrechte keine Sicherheit und keine Entwicklung für die Menschheit, verkündete Kofi Annan als damaliger UNO-Generalsekretär 2005. Die UNO erkannte schon zu Beginn des neuen Jahrtausends, dass die Menschenrechte zur Erreichung ihrer Ziele eine äusserst wichtige Rolle spielen. Der folgende Artikel geht auf die Entstehungsgeschichte des Menschenrechtsansatzes ein und zeigt auf, was dieser beinhaltet und weshalb er in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) mehr Beachtung verdient.
Zur Entstehungsgeschichte
Der Menschenrechtsansatz in der EZA hat erstmals eine internationale Bedeutung erlangt im Zusammenhang der Millenniums-Erklärung der UNO-Generalversammlung im Jahre 2000. Darin wird die Bedeutung der Menschenrechte im Kampf gegen Armut und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung unterstrichen. Unter anderem bekräftigten die Mitgliedstaaten damit, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in der Entwicklungspolitik Geltung zu verschaffen. Der damalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan wiederholte 2005 in seinem Bericht über die Wirkung der Millenniums-Erklärung die grosse Bedeutung der Menschenrechte: «Humanity will not enjoy security without development, it will not enjoy development without security, and it will not enjoy either without respect for human rights.»
Die United Nations Development Group (zu der u.a. UNHCHR, UNDP, UNICEF, WFP, UNAIDS, WHO, FAO und UNHCR gehören) integrierte bereits 2003 eine Menschenrechtsperspektive in ihre Arbeit. In diesem Jahr verabschiedeten diese Entwicklungsorganisationen der UNO ein gemeinsames Verständnis über den UNO-Menschenrechtsansatz in der Entwicklung. Dieses sollte die unterschiedlichen Interpretationen und Praktiken der Institutionen vereinheitlichen und die Menschenrechte in ihrer Arbeit etablieren. Der damit ins Leben gerufene Human Rights Based Approach (Menschenrechtsansatz) verfolgt drei grundsätzliche Ziele:
- Alle Programme der Entwicklungszusammenarbeit sollen Menschenrechte fördern, so wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den zentralen internationalen Menschenrechtsabkommen (vor allem UNO-Pakt I und II) festgehalten sind.
- Diese Menschenrechtsnormen und die aus ihnen abgeleiteten Prinzipien bilden die Leitlinien für die gesamte Entwicklungszusammenarbeit und Programmarbeit in allen Bereichen und in allen Gestaltungs- und Umsetzungsphasen.
- Entwicklungszusammenarbeit trägt dazu bei, Träger/innen menschenrechtlicher Pflichten (duty-bearers) zu stärken, damit diese ihre Verpflichtungen besser erfüllen, und die Träger/innen von Menschenrechten (rights-holders) zu befähigen, ihre Rechte einzufordern.
Mit dem Menschenrechtsansatz werden Menschenrechte sowohl zum Mittel als auch zum Ziel von Entwicklungszusammenarbeit. Der Menschenrechtsansatz hat sich inzwischen über die UNO-Institutionen hinaus verbreitet und wird heute auch von staatlichen Akteuren/-innen sowie von nationalen und internationalen NGOs in der EZA angewendet. So leitet auch die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) die Leitlinien zu ihrer Menschenrechtspolitik aus diesen Vorgaben auf UNO-Ebene ab.
Der Menschenrechtsansatz unterstützt Individuum und Staat
Obwohl sich die Beachtung der Menschenrechte durch den Beitritt zur UNO für alle Mitgliedstaaten ergibt, hat die internationale Gemeinschaft lange Zeit Menschenrechte und EZA als mehrheitlich voneinander unabhängige Konzepte verstanden. Der Menschenrechtsansatz geht einen anderen Weg: einerseits kehrt sich dieser Ansatz ab von einer wenig nachhaltigen apolitischen EZA, die staatliche Pflichten und Menschenrechte weitgehend ignoriert, mit dem einfachen Ziel, «Gutes» zu tun. Andererseits markiert er die Abkehr von einer Menschenrechtspolitik, die einzig die Achtung bürgerlicher und politischer Rechte im Blick hat und die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Realitäten ausblendet.
Eine auf Menschenrechten basierende EZA fördert den Entwicklungsprozess deshalb aus zwei verschiedenen Perspektiven: Zum einen stärkt sie den einzelnen Menschen in seiner Eigenschaft als Rechtsträger/in (rights-holder). Zum anderen unterstützt sie die Pflichttragenden, also die Regierungen und Verwaltungen der Vertragsstaaten (duty-bearer), ihren menschenrechtlichen Pflichten nachzukommen und sie auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene umzusetzen. Das heisst, anstatt mit zahlreichen Entwicklungsprogrammen und -projekten die lokalen Behörden zu umgehen und damit Parallelstrukturen aufzubauen, hilft der Menschenrechtsansatz den Partnerstaaten, die zur Erfüllung der menschenrechtlichen Pflichten nötigen (staatlichen) Strukturen aufzubauen oder zu erhalten. Dahinter steckt die Einsicht, dass ein Staat, dessen Strukturen schwach sind, nicht fähig ist, die Menschenrechte im eigenen Territorium durchzusetzen. Geberstaaten, die sich am Menschenrechtsansatz orientieren, ermöglichen so, dass der Partnerstaat den Pflichten nachkommt, die er mit der Ratifizierung der Menschenrechtsabkommen und dem Beitritt zur UNO übernommen hat.
Abgestützt auf das internationale Menschenrechtssystem, liegen dem Menschenrechtsansatz vier Prinzipien zugrunde, welche die EZA im gesamten Entwicklungsprozess beachten und auch fördern sollte:
- Universalität und Unteilbarkeit: Die Menschenrechte schützen alle Menschen. Alle Menschenrechte sind gleich viel wert; ein Menschenrecht kann deshalb nicht auf Kosten anderer verwirklicht werden. Obwohl in der EZA oftmals zeitliche Prioritäten gesetzt werden müssen, muss sie grundsätzlich alle Menschenrechte und alle Menschen (Berechtigte wie Verpflichtete) im Blickfeld haben.
- Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung: Die Menschenrechte müssen für alle Menschen ohne Diskriminierung oder Benachteiligung erfüllt werden. Die EZA darf weder absichtlich noch unbeabsichtigt bestehende Diskriminierungen oder Benachteiligungen bestimmter Personen und Bevölkerungsgruppen fördern, sondern muss Diskriminierungen vermeiden und bekämpfen sowie Betroffene stärken.
- Partizipation und Integration: Alle Menschen und Völker sind berechtigt, an Entwicklungsprozessen teilzunehmen und ihren Teil beizutragen. Aus menschenrechtlicher Sicht muss die EZA deshalb einerseits die Bevölkerung dabei unterstützen, an Entscheidungsprozessen aktiv teilzunehmen, und anderseits die Behörden darin bestärken, die Bevölkerung in die staatlichen Entscheidungsstrukturen einzubinden.
- Verantwortlichkeit (accountability) und Rechtsstaatlichkeit: Die Behörden der Vertragsstaaten müssen den rechtlichen Standards und Prinzipien der internationalen Menschenrechtsabkommen genügen. Sie stehen dabei in dreifacher Verantwortung: Sie müssen die Menschenrechte selbst achten (respect), die Menschen vor Menschenrechtsverletzungen schützen (protect) und das staatliche Handeln so gestalten, dass die Verwirklichung der Menschenrechte für alle möglich ist (fulfill). Die EZA hat die Aufgabe, die Vertragsstaaten so zu unterstützen, dass sie diese dreifache Verantwortung wahrnehmen können.
Quellen
- Statement of Common Understanding on Human Rights-Based Approach to Development Cooperation and Programming
United Nations Development Group, 2003 (pdf, 4 S.) - United Nations Millennium Declaration
Resolution 55/2 der UNO-Generalversammlung, 18. September 2000 (pdf, 9 S.) - In larger freedom: towards development, security and human rights for all
Report des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan, 21. März 2005 - DEZA Menschenrechtspolitik - Für ein Leben in Würde: Die Rechte der Armen fördern
Strategiepapier der DEZA, 2006 (pdf, 20 S.) - Mehr Menschenrechte in die Entwicklungspolitik!
Policy Paper des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Januar 2010 (pdf, 27 S.) - Menschenrechte und Entwicklung: Zwei Welten kommen zusammen
Artikel von Erika Schläppi im Info-Bulletin humanrights.ch, Nr. 2/3, Dezember 2005 (pdf, 12 S.)
Anwendung des Menschenrechtsansatzes auf strukturelle Probleme der Entwicklungszusammenarbeit
Die Entwicklungszusammenarbeit (EZA), welche staatliche Akteure betreiben, gestaltet sich trotz den Bemühungen der UNO um eine einheitliche Umsetzung weiterhin sehr unterschiedlich. Gegenwärtig fallen insbesondere mehrere Tendenzen als problematisch auf: (1) Budgethilfe an Staaten, welche sich nicht bemühen, den Anforderungen an eine gute Regierungsführung nachzukommen; (2) wenig Bereitschaft, bestehende Machtstrukturen zu analysieren und im Sinne der Menschenrechte langfristig zu verändern, und daraus folgend die weitere Marginalisierung benachteiligter Gruppen (wie regionale Minderheiten, Frauen und Kinder); (3) problematische quantitative Vorgaben durch die internationale Gemeinschaft; (4) ein Legitimitätsproblem in den Geber- wie in den Partnerstaaten, weil bei Projekten oft die Visibilität zu stark gewichtet wird; sowie (5) eine starke Verknüpfung der Entwicklungspolitik mit eigenen wirtschaftlichen Profitinteressen der Geberstaaten.
(1) Budgethilfe: Missbrauch von Entwicklungsgeldern verhindern
In den vergangenen Jahren ist eine Tendenz zu vermehrter Budgethilfe an Vertragsstaaten auszumachen. Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie sinnvolle EZA ausgestaltet werden muss, hat spätestens 2005 (Paris Declaration on Aid Effectiveness) dazu geführt, dass vermehrt programmbasierte Ansätze gefördert werden, die sich an Reformprogrammen zur Armutsbekämpfung der Nehmerstaaten orientieren und diese unterstützen. Dies als Zusatz zu den lange Zeit präferierten projektbasierten Ansätzen, welche zum Teil dazu geführt haben, dass innerhalb der Partnerstaaten Parallelstrukturen entstanden, die politisch und gesellschaftlich schliesslich mehr Gewicht hatten als die staatlichen Strukturen.
Demgegenüber zielt eine programmbasierte Unterstützung auch darauf ab, die Partnerstaaten zu befähigen, selbst das zu leisten, was lokal bisher die Partnerorganisationen der EZA geleistet haben. Eine Form von programmbasierter Hilfe ist die Budgethilfe, bei der Gelder in den nationalen Haushalt eines Partnerlandes fliessen. Der Verwendungszweck dieser Gelder sowie Zielvorgaben und Kontrollmechanismen werden dazu zwischen Geber- und Nehmerland vereinbart. Ziel der Budgethilfe ist es, die Rechenschaftslegung der öffentlichen Hand in den Partnerländern zu verbessern und dadurch auch ihre Bemühungen zur Armutsbekämpfung zu unterstützen bzw. politische Reformen zu ermöglichen.
Dass Budgethilfe sinnvoll sein kann, ist auch mit Blick auf den Menschenrechtsansatz einsichtig, weil längerfristig die Menschenrechte nur geschützt werden, wenn politische und administrative Institutionen und Prozesse bestehen, die auf befriedigende Weise funktionieren. Budgethilfe ist allerdings nicht immer sinnvoll, etwa wenn das Risiko besteht, dass Gelder veruntreut oder für Massnahmen eingesetzt werden, welche den Menschenrechten nicht förderlich sind. Benutzt die politische Elite im Partnerstaat die Entwicklungsgelder zum eigenen Machterhalt, ohne die Partizipationsfähigkeiten und -möglichkeiten der Bevölkerung zu fördern, muss der Geberstaat über die Bücher und andere Wege suchen, um in staatsunabhängigen Projekten die partizipativen Strukturen zu fördern.
Ein Beispiel für solche Probleme ist möglicherweise Äthiopien, wie einem Bericht von Human Rights Watch vom Herbst 2010 zu entnehmen ist. Der Bericht zeigt, wie die äthiopische Regierung Spenden und Hilfsgüter instrumentalisiert, um ihre eigene Macht zu sichern. Indem die Regierung grundlegende staatliche Leistungen von der Unterstützung der Regierungspartei abhängig macht, nutzt sie Entwicklungsgelder zur Unterdrückung der Opposition. Auch wenn sich die Geberländer in einer Reaktion auf den Bericht auf den Standpunkt stellen, in Äthiopien keine systematischen Missbräuche festzustellen: Solche Menschenrechtsverletzungen können grundsätzlich nicht im Sinn einer modernen EZA sein.
Aus einem menschenrechtlichen Blickwinkel ist Budgethilfe deshalb nicht bei allen Staaten sinnvoll, sondern nur bei Partnerländern, welche bestimmte institutionelle Voraussetzungen bereits erfüllen. Nur den Staaten, die ein gewisses Mass an Gouvernanz aufweisen (also die Kriterien einer «good governance» - Rechenschaftspflicht, Transparenz, Nichtdiskriminierung, Partizipation und Effizienz – zumindest ansatzweise erfüllen), sollte Budgethilfe gewährt werden. Zudem sollte der Partnerstaat eine positive Entwicklungstendenz und einen nachweislichen Reformwillen bezüglich der mit der Budgethilfe verknüpften Ziele aufweisen, wie das Deutsche Institut für Menschenrechte in einem Positionspapier festhält.
(2) Marginalisierte und Benachteiligte stärken
Nicht nur bei repressiven Regimes kann EZA ohne den transversalen Blick für Menschenrechte die bestehenden Macht- und Ungleichheitsverhältnisse zementieren. Auch in der Gesellschaft verankerte Benachteiligungen bestimmter Gruppen und Minderheiten vermag die EZA ohne menschenrechtlichen Blickwinkel und ohne die Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Partizipation nicht ohne Weiteres zu verändern. Denn oftmals sind es die sozialen und politischen Strukturen, die für die Armut bestimmter Bevölkerungsschichten verantwortlich sind. Mit der Sicht des Menschenrechtsansatzes müssen die Akteure der EZA darauf achten, dass ihre Unterstützung auch Frauen, Kindern, Minderheiten, Marginalisierten und den Ärmsten zugute kommt, und nicht nur die etablierten, bereits mit Macht ausgestatteten Bevölkerungsschichten einer Gesellschaft erreicht (etwa Männer, Kleinhändler/innen oder Bewohner/innen von offiziellen Armutsvierteln in Grossstädten).
(3) Die Problematik rein quantitativer Millenniumsziele
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die EZA darum bemüht ist, quantitativen Vorgaben nachzukommen. Ein Beispiel hierfür sind die Millenniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, kurz MDG), welche die UNO aus der Millenniumsdeklaration heraus entwickelte. Die MDG setzen der EZA und der Armutsbekämpfung zeitlich festgelegte, quantifizierbare Ziele in den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Ausbildung, Geschlechtergleichstellung und Umweltschutz. Diese bringen den Vorteil, dass Staaten auf internationaler Ebene zu relativ konkretem Handeln gedrängt werden können. Leider wurden bei den Bestrebungen zur Verwirklichung dieser Ziele bis 2015 die Menschenrechte kaum mit einbezogen – dies obwohl sich die Millenniums-Erklärung stark auf die Menschenrechte stützte.
Die Bemühungen zur Erfüllung der MDG haben teilweise dazu geführt, dass nicht die Ärmsten der Armen von der zusätzlichen Unterstützung profitieren. Denn die quantitativen Zielsetzungen verleiten Staaten offensichtlich dazu, ihre Anstrengungen vor allem auf die leicht zugänglichen, besser situierten Massen unter den Armen zu fokussieren (z.B. offizielle Armenquartiere in Grossstädten, die bereits über eine minimale Infrastruktur verfügen), um eine möglichst hohe Zahl zu erreichen und damit das Millenniumsziel zu erfüllen. Die Armen in den weniger gut zugänglichen Regionen (z.B. Bewohner/innen illegaler oder offiziell nicht existierender Slums oder die Landbevölkerung) bleiben so aussen vor, auch wenn der Staat seine durchschnittlichen statistischen Zahlen verbessert und dieser Erfolg den Blick auf die grossen Diskrepanzen zwischen einzelnen Bevölkerungsteilen verdeckt. Würden sich die Anstrengungen zur Verwirklichung der MDG konsequent nach den Prinzipen des Menschenrechtsansatzes (Universalität, Nichtdiskriminierung, Partizipation, Verantwortlichkeit) richten, könnten die quantitativen Entwicklungsvorgaben eine umfassendere und nachhaltigere Wirkung entfalten.
(4) Projekte nachhaltig und sinnvoll gestalten, auch wenn darunter deren Sichtbarkeit leidet
Der Menschenrechtsansatz unterstützt nicht zuletzt die Nachhaltigkeit der EZA. Er sorgt dafür, dass EZA-Projekte nicht nur zu gut vermarktbaren, aber nutzlosen Vorzeige- und Prestigeobjekten werden. Denn ohne umfassenden Blick für die Menschenrechte besteht die Gefahr, dass Projekte vor allem auf Visibilität setzen, um rasche Resultate vorzeigen und die EZA vermeintlich legitimieren zu können. So entsteht Entwicklung, die zwar sicht- und messbar ist, aber isoliert dasteht und dadurch wenig nachhaltig ist. Beispielsweise trägt die beste Brücke nichts zur Entwicklung einer Region bei, wenn nicht gleichzeitig dafür gesorgt wird, dass der Partnerstaat an beiden Enden Strassen baut und unterhält bzw. wenn nicht dafür gesorgt wird, dass die lokale Bevölkerung mitbestimmen kann, wo die Brücke Sinn macht. Zudem muss sichergestellt werden, dass der Brückenbau auch lokal Arbeitsplätze schafft und das zum Unterhalt nötige Know-how weitergegeben wird.
Entwicklungszusammenarbeit der öffentlichen Hand, die sich gegenüber der steuerzahlenden Öffentlichkeit vor allem durch die Sichtbarkeit ihrer Projekte rechtfertigt, gefährdet ihre Legitimität, weil solche Projekte nicht automatisch nachhaltig sind. Der Menschenrechtsansatz fordert, dass EZA auch wenig sichtbare und schwer messbare Aspekte von Entwicklung unterstützt (z.B. Bildungsprogramme, Dezentralisierung, Bürgerbeteiligung, Frauenförderung etc.). Dennoch kann er die Glaubwürdigkeit der EZA in der Öffentlichkeit fördern, weil seine Herangehensweise eine nachhaltigere, umfassendere Entwicklung garantiert: Durch den Einbezug sowohl der Rechtsträger/innen wie auch des (verpflichteten) Staates verhindert er wenig sinnvolle, kostspielige Projekte und lässt Entwicklungsgelder nicht in die Taschen repressiver Regimes verschwinden. Ziel des Menschenrechtsansatzes ist es, die Bevölkerung möglichst diskriminierungsfrei einzubinden, damit alle am Entwicklungsprozess teilnehmen und sich in der Zivilgesellschaft beteiligen können. Dieses Konzept der diskriminierungsfreien Partizipation garantiert, dass der Nehmerstaat seine Rechenschaftspflichten nicht nur gegenüber den Geberländern, sondern auch gegenüber der eigenen Bevölkerung wahrnimmt und letztere in seine Entscheidungsprozesse einbindet. Gleichzeitig führt EZA, welche sich an den Vorgaben der Menschenrechte orientiert dazu, dass die Bevölkerung im Partnerstaat befähigt wird, sich einzubringen. Nur die Befähigung zur Partizipation führt schliesslich dazu, dass gewisse Gruppen nicht längerfristig von Unterstützung abhängig bleiben.
(5) Profitinteressen der Geberstaaten unter dem Blickwinkel der Menschenrechte bewerten
Geberstaaten erhoffen sich von der Entwicklung anderer Regionen immer auch, dass sie wirtschaftlichen Profit davontragen. Dies wird von Nichtregierungsorganisationen, welche im Bereich der EZA tätig sind, regelmässig kritisiert. Es ist problematisch, wenn Geberstaaten Entwicklungspolitik zu sehr unter dem Aspekt der Rentabilität im wirtschaftlichen Sinne betreiben. Leider werden die Ziele der Entwicklungspolitik - Armutsbekämpfung und Förderung der Menschenrechte - in vielen Geberstaaten heute zu wenig als leitende Politik verstanden. Wenn ein Staat in einem Land Menschenrechtsprojekte unterstützt und dann gleichzeitig ein Freihandelsabkommen abschliesst, in welchem das Thema Menschenrechte übergangen wird, führt dies logischerweise dazu, dass die eigenen Projekte weniger Wirkung haben.
Aus Sicht der Menschenrechte kann es nicht das einzige Ziel von EZA sein, dass schliesslich die Geberstaaten von den Budgets, die sie ärmeren Staaten zur Verfügung stehen, finanziell profitieren. Die politischen Entscheidungsträger/innen in den Geberstaaten sind sich oft zu wenig bewusst, dass bei allen wirtschaftlichen Fragen mit ärmeren Regionen der Welt immer auch der Aspekt der Menschenrechte miteinbezogen werden soll. Es besteht die Gefahr, dass ein Geberstaat sein eigenes wirtschaftliches Wachstum höher gewichtet als die Armutsreduktion in einem Drittstaat. Wichtig ist deshalb, dass der Menschenrechtsansatz in der Entwicklungszusammenarbeit ein Thema ist, mit dem sich nicht nur die entwicklungspolitischen Spezialministerien befassen, sondern auch die Regierungen und Parlamente.
Quellen
- Mehr Menschenrechte in die Entwicklungspolitik!
Positionspapier des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Januar 2010 (pdf, 27 S.) - Governance as a Transversal Theme
Implementation Guide der DEZA, 2005 (pdf, 32 S.) - Development without Freedom: How Aid Underwrites Repression in Ethiopia
Human Rights Watch, 2010 (pdf, 111 S.) - DAG Statement to Human Rights Watch Report
Medienmitteilung der Development Assistance Group Ethiopia vom 21. Oktober 2010 (pdf, 2 S.) - Claiming the Millennium Development Goals: a human rights approach
UNHCHR, 2008 (pdf, 60 S.) - Increasing Swiss ODA: Yes, We Can't
Artikel von Michèle Laubscher, Alliance Sud in: Aid and Development Effectiveness: Towards Human Rights, Social Justice and Democracy. Bericht des Reality of Aid Networks, 2010 (pdf, 304 S.)
Weiterführende Informationen
- Das ABC der Menschenrechte für die Entwicklungszusammenarbeit
Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Januar 2014 (pdf, 6 S.) - Menschenrechte in der Entwicklungszusammenarbeit
Gemeinsam für Afrika - Geld alleine reicht nicht aus
NZZ-Artikel zur Budgethilfe in der Entwicklungszusammenarbeit, 11. September 2012 (pdf, 2 S.)